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Gerhard Dahl, Titisee-Neustadt
      Telefonkonzerne und ihre Lobby sind Meister
      im Ausschlachten der Kosten- und Abofallen  

Inhaltsverzeichnis
Gewünschtes Kapitel bitte hierunter anklicken

  1. Einleitung
  2. Grundverschiedene Varianten des Vertriebs von Kleinstprogrammen
  3. Kostenfallen gedeihen nur in der Regie und unter den Drohpoten-zialen der Telefonkonzerne
  4. Rechts- und Vertragsverstöße mancher Telefonkonzerne ziehen unser Recht in Mitleidenschaft
  5. Das geschundene und 'zerklüftete' Recht im Mobilfunksektor
  6. Arbeitsspuren und Erfolge der Telefon-Lobby im Mobilfunk­bereich
  7. Das Strafrecht und die Beihilfe zum Betrug
  8. Ein vom Gesetz stark verzerrter Wettbewerb beim Vertrieb der Kleinstprogramme als Nähr- boden für 'Schmuddelecken'
  9. Das Verhindern von Kostenfallen obliegt dem Wettbewerbsrecht
  10. Der Gesetzgeber belässt es bisher beim bloßen Eindämmen der Kosten- und Abofallen
  11. Gesetzesvorschlag, um Anreize
    für ein Tricksen zum Versiegen
    zu bringen
  12. Anhang 1: Wie befreie ich mich aus einer Kostenfalle, wenn ich mir ziemlich sicher bin, willentlich keinen Bestell-Button des Dienst-leisters angeklickt zu haben?
  13. Anhang 2: Die zwei Varianten der Kosten- und Abofallen
  14. Impressum   Datenschutz

8  Das Verhindern von Kostenfallen obliegt dem
P  Wettbewerbsrecht


8.1   Zur Qualifizierbarkeit des Kostenfallen-Modells als
     «unlauterer Wettbewerb»
8.2   Unternehmerseitig manipulierte Wirtschaftsdaten
     unterminieren eine «informierte Entscheidung»
8.3   Unlauterkeit wird nicht abgeschwächt durch eine
     Willfährigkeit mobiler Verbraucher
8.4   Fazit: Unser Wettbewerbsrecht (hier das TKG) gibt
     Telefonkonzernen für das Legen von Kostenfallen
     entscheidende Hilfen

8.1  Zur Qualifizierbarkeit des Kostenfallen-Modells als
    «unlauterer Wettbewerb»

Es scheint keine leichte Frage zu sein, ob die Kostenfallen-Aktivitäten der Telefonkonzerne unter der Geltung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) von dessen zentralem § 3 Absatz 2 erfasst werden und als "unlauter" zu disqualifizieren sind. Der Eingriff in das Verbraucherverhalten durch die Telefon­konzerne ereignet sich zwar ständig ohne Zustimmung der betroffenen Kunden, wenn diese durch eigenmächtiges Vorgehen der Anbieter "überrumpelt" werden und im Fall betrügerisch eingefädelter Geschäfte zum Unterlassen ihrer Gegenwehr gedrängt, eingeschüchtert oder getäuscht werden, so dass sie schließlich ihren Widerstand gegen die Zahlungsabbuchung fallen lassen. Aber können Telefonanbieter nicht einwenden, die Kunden unterließen es freiwillig sich zu wehren, wenn sie finanziell in Anspruch genommen werden? Daher könne von "unlauterer" Handlungsweise nicht die Rede sein.

Gewiss suchen Verbraucher einer streitigen Auseinandersetzung mit dem Anbieter aus dem Wege zu gehen, wenn sie sich etwa der Aufgabe einer wirksamen Gegenwehr nicht gewachsen fühlen oder in ihrem Urteil unsicher sind, ob mit einem günstigen Ausgang eines Streitverfahrens gerechnet werden kann. Entlastet das die Anbieter? Die Antwort will ich im Kapitel 8.3 geben.

Der übliche Weg, Wettbewerbsauswüchse zu bekämpfen, sind nach deutschem Recht Abmahnungen, wie sie § 12 UWG gegen eine unzulässige Handlungsweise vorsieht. Nur gelegentlich hört man davon, dass eine Verbraucherzentrale eine Vorgehensweise der Mobilfunkanbieter (siehe z. B. weiter unten die Aufzählung in Kapitel 8.2 am Ende) erfolgreich als "unlauteren Wettbewerb" abgemahnt hätte. Der Grund dürfte darin liegen, dass die Beschreibung des Unrechtstatbestands im UWG keine "griffigen" Merkmale liefert, so dass die als unlauter Nach Artikel 5 Absatz 4 der EU-Richtlinie 2005/29/EG sind
 unlauter insbesondere solche Geschäftspraktiken, die
 (a) irreführend im Sinne der Artikel 6 und 7 oder
 (b) aggressiv im Sinne der Artikel 8 und 9 sind.
beanstandete Arbeitsweise der Mobilfunkanbieter nicht so leicht in justiziabler Weise "dingfest" gemacht werden kann.

8.2   Unternehmerseitig manipulierte Wirtschaftsdaten
   unterminieren eine objektiv  «informierte Entscheidung»

Was wird denn nun von § 3 Abs. 2 UWG genau verlangt? Der Wortlaut dieser zentralen Norm formuliert:

«Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.»

Und § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG definiert ergänzend:

"wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers" [bedeutet] die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte».

Wenn aber ein Verbraucher sich zur Deckung wirtschaftlichen Bedarfs auf einen Markt begibt, wird sein Verhalten schon immer wesentlich von der Marktdynamik des Wettbewerbs  beeinflusst.  Denn es gehört zur Arbeitsweise des Marktwettbewerbs, dass erst der Prozess der Ausbalancierung von Dispositionen der Anbieter  und  Nachfrager, die in Form von Tauschrelationen aufeinander treffen, die gültige und am Markt resultierende Tauschrelation erzeugt. Daher wird auch der Verbraucher als nachfragender Marktteilnehmer diesem Prozess unterworfen, an dem stets Anbieter und Nachfrager mitwirken. Er kann sich also schon immer der Beeinflussung seines eigenen wirtschaftlichen Entscheidens durch die anderen Marktteilnehmer nicht entziehen und seine wirtschaftlichen Entscheidungen nicht in einem marktfreien Raum treffen.

§ 3 Absatz 2 UWG will daher nach seinem Sinn und Zweck eine vom Anbieter erzeugte Verbraucherbeeinflussung wohl erst dann als "unlauter" disqualifizieren, wenn es beim Prozess der marktmäßigen Ausbalancierung der Tauschdispositionen deswegen hapert, weil ein oder mehrere Unternehmer sich "querstellen", d. h. den Prozess der Ausbalancierung von Tauschrelationen korrumpieren, indem sie das Zustandekommen von Tauschrelationen (Tauschbedingungen im umfassenden Sinne) erheblich von demjenigen Ergebnis abweichen lassen und es verfälschen, welches sich bei intaktem vertikalen Wettbewerb einstellen würde. Erst solche missbräuchliche Beeinflussung ist  "wesentlich". – Das UWG sucht das wettbewerbswidrige Ergebnis einerseits mit dem umschreibenden Begriff von geschäftlichen Handlungen zu erfassen, die «nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen», und will es andererseits gemäß § 3 Absatz 3 (im Gesetzesanhang) durch Aufzählung vieler praxisnah beschriebener Negativbeispiele präzisieren.

Im Fall der Kostenfallen steuert auch ein von seinen Anbietern manipulierter Verbraucher seine Entscheidung zwar subjektiv nach eigenen  Informationen, die er in seine Tauschdisposition einfließen lässt, er glaubt also sehr wohl, stets eine "informierte Entscheidung" (§ 2 Abs. 1 Nr. 8) zu treffen, auch wenn er manipuliert wurde. Manipuliert werden meint, dass am Markt bei mangelndem Wettbewerb nicht mehr im Konsens beider Seiten gehandelt wird; denn nur Marktwettbewerb schafft es, diejenige Einvernehmenslinie herzustellen, bei der die Nettovorteile des Tauschs zwischen den Parteien durch wettbewerbliches Ausbalancieren austariert werden. Die Manipulation der Mobilfunkanbieter setzt nicht dort an, wo der mobile Kunde keine subjektiv "informierte Entscheidung" mehr treffen kann und von ihr abweichen muss, sondern dort, wo die ihn erreichenden Informationen  Zur Erinnerung: Es ging
  in Kap.1.1 um die den Kunden täuschenden Informationen,
  in Kap.1.2 um das Unterdrücken von Informationen und
  in Kap.1.3 um Informationen, die einschüchtern konnten.
in ihrem Inhalt durch ¹täuschende, ²vertuschende oder ³einschüchternde Elemente der Informationen objektiv verzerrt worden sind, so dass seine "Tauschdispositionen", z. B. die Entscheidung, den Rechnungsposten anzuerkennen oder zu beanstanden, dadurch in eine andere Richtung gelenkt werden.

Zu solcher verzerrenden Manipulation und damit zum Wettbewerbsverstoß kann es kommen, wenn der Mobilfunkanbieter seinem Kunden, der sich durch die SIM-Karten-Lizenz in einer Abhängigkeit von ihm befindet, ein verfälschtes Wissen zu vermitteln versteht. Ich zähle noch einmal kurz die konkreten "geschäftlichen Handlungen" auf, die aus Sicht des UWG als Datenmanipulation und damit als schädliche Beeinträchtigung der Entscheidungs­fähigkeit des Verbrauchers anzusehen sein dürften:

o   Der Telefonanbieter vorenthält dem Kunden, gestützt auf § 45p TKG, die nötigen Rechnungsdaten über Grund und Gegenstand des Entgeltanspruchs oder erschwert den Zugang zu ihnen, um dem Kunden die Kontrolle über die Bankabbuchung entgleiten zu lassen,

o   er macht den Kunden glauben, ein Anlass zu Beanstan­dungen komme praktisch nicht vor, daher würde die einzulösende fremde Forderung in der Geschäftswelt üblicherweise nicht erst einer Prüfung unterzogen,

o   und die Forderung könne nach allgemein geübter geschäftlicher Hand­habung mit den gleichförmigen Gebührenforderungen unkritisch vermengt werden,

o   und sie lasse sich bedenkenlos und ohne Nachteil für den Kunden in das Lastschriftverfahren der Bank einbeziehen,

o   und sie brauche bei einer Kundenbeanstandung vom Mobil­funkanbieter rechtlich nicht vertreten und ggf. korrigiert zu werden,

o   und sie könne, wenn sie nicht erfüllt werde, unweigerlich eine Selbstbeschä­digung des Kunden durch die Sperre seines Mobilfunk-Anschlusses auslösen.

8.3   Unlauterkeit wird nicht abgeschwächt durch eine Will-
   fährigkeit mobiler Verbraucher

Was nun die Frage angeht, ob der Umstand, dass die auffallende Willfährigkeit der meisten mobilen Verbraucher die Vorgehensweisen des Telefonanbieters begünstigt und sie daher mit verursacht, nicht der strikten Qualifizierung dieser Vorgehensweisen als "unlauter" entgegensteht, so operiert das Gesetz hier mit den Begriffen der «unternehmerischen Sorgfalt» und der «anständigen Marktgepflogenheiten» (beide laut § 2 Abs. 1  Nr.  7 UWG). Bei überschlägiger Wertung wird man alles Handeln,

o   bei dem hinter dem Rücken des Geschäftspartners agiert wird,

o   bei dem teilweise auf ein Einvernehmen mit dem Kunden verzichtet wird
      und

o   bei dem auf Schritt und Tritt Arglist im Spiel ist,


als eine nicht zulässige Verletzung von "Sorgfalt" und "Anstand" ansehen müssen, so dass das Gesetz keinen Anhalt dafür gibt, dass auch das Handeln der  betroffenen  Geschäftspartner (Kunden) irgendeinem Sorgfalts- oder Aufmerksamkeits-Standard entsprechen müsse.

Willfähriges Handeln der Betroffenen kann daher die geforderte Lauterkeit nicht relativieren, mag auch eine faktische Arglosigkeit der mobilen Kunden geradezu die Basis für die dubios-geschäftliche Nische im Mobilfunkmarkt bilden. Gewiss bereiten mobile Verbraucher durch ihr widerspruchslos-nachgiebiges Verhalten angesichts minimaler Einstiegspreise der Kleinprogramm-Dienstleister ihre Rolle als "Abzock"-Opfer selbst vor. Sie verführen Mobilfunkbetreiber, die unter einem enormen Druck des Wettbewerbs um Marktanteile stehen, dazu, diese Kunden-Unbekümmertheit bei schillernden Kleinstprogrammen zu einer hervorragenden Geschäftsnische auszubauen. Der Lauterkeitsgrundsatz sollte es den Mobilfunkanbietern aber verwehren, menschliche Unbekümmertheit zu "kommerzialisieren" und als Separatgeschäfte auszuschlachten.

8.4  Fazit: Unser Wettbewerbsrecht (hier das TKG) gibt Telefon-
  konzernen für das Legen von Kostenfallen entscheidende Hilfen

Auch wenn sich in den Kosten- und Abofallen im Einzelfall kein dubioses Geschäft verfangen hat, so erfüllen die Fallen dennoch den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs. Die Mobilfunkanbieter arbeiten mit Hilfe der Kostenfallen darauf hin, die von Verbrauchern zu treffende Entscheidung des Anerkennens oder Nichtbegleichens der Rechnungsforderung an sich zu ziehen und durch die eigene Entscheidung zum Bezahlen zu ersetzen. In dieser rechtlich als aggressivEine unzulässige Beeinflussung und damit eine "aggressive" geschäftliche Handlung liegt gemäß § 4a Abs.1 Satz 3 UWG vor, "wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrau-chers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt."  Wenn Kunden überrumpelt werden und sich gegen ihren Willen an der Prüfung einer Zahlpflicht gehindert sehen, sollte man die entstandene Zwangslage des Verbrauchers sicherlich einer "Machtposition [des Unternehmers] gegenüber dem Verbraucher" im oben beschriebenen Sinne zuschreiben. einzustufenden Manipulation liegt ein klarer Verstoß gegen § 3 Absatz 2 UWG. Gleichzeitig aber ist es ausgerechnet das neue Telekommunikationsgesetz, welches insbesondere in seinen §§ 45d III, 45k III, 45p und 149 II diesen Verstoß nicht nur ermöglicht, sondern sogar unterstützt. Da muss man sich tatsächlich fragen, wieso den Kontrollinstanzen unserer Rechtsordnung nicht auffallen will, dass zwei Gesetze derselben Rechtsordnung (BGB und TKG) miteinander im Clinch liegen.

Da es die meisten Verbraucher bei der bereits erfolgten Betragsabbuchung des Mobilfunk­anbieters belassen, obwohl eine von ihnen höchstaufwändig durchgeführte Prüfung in vielen Fällen zur Vernichtung der angeblichen Zahlschuld führen würde, muss man solche Schadensentwicklungen dem Umstand anlasten, dass unser Wettbewerbsrecht mit seinen Defekten und Defiziten vor den gesetzlich privilegierten Mobilfunkanbietern und ihrer Lobby lautlos in die Knie gegangen ist.


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©dahl 2017