Gerhard Dahl, Titisee-Neustadt
Telefonkonzerne und ihre Lobby sind Meister
im Ausschlachten der Kosten- und Abofallen
Inhaltsverzeichnis
Gewünschtes Kapitel bitte hierunter anklicken
Um Kosten- und Abofallen im Internet zum Verschwinden zu bringen, bedarf es eigentlich nicht neuer Gesetze. Statt also aktionistisch mit einem 3. Gesetzesanlauf (2017) zu "flickschustern", sollte richtigerweise mit den lobbyistischen Gesetzesverbiegungen (siehe insb. Kapitel 7.4) aufgeräumt werden. Stünden nämlich die bestehenden Gesetze nicht vielfach zueinander in logischem Selbstwiderspruch (siehe die Kap.4 und 5), hätten unsere Gerichte keine Probleme, der nötigen Lauterkeit und Fairness, ohne die wettbewerbs-korrektes Handeln sich nicht ausrichten und aufrichten kann, in der Wirtschaft durchaus zur Durchsetzung zu verhelfen.
Fehlende Lauterkeit bedeutet Erschütterung von Vertrauen. Wirtschaften unter Wettbewerb funktioniert aber nur, wo es auf Vertrauen aufbaut, d. h. wo fair miteinander umgegangen wird; denn Kontrolle ist immer kompliziert und teuer, Vertrauen ist einfacher und ökonomischer. Erst das Vertrauen in den Partner reduziert Komplexität auf ein handhabbares Maß (so: Niklas Luhmann)! Und erst Vertrauen lässt auf eine Absicherung von Unwägbarkeiten verzichten (so: Reiner Anselm)! Doch gerade das Vertrauen, auf das Teilnehmer einer wettbewerblich ausgerichteten Wirtschaft nun einmal dringend angewiesen sind, wird im Mobilfunksektor, wie das Kapitel 5 sichtbar machte, ausgerechnet vom Gesetzgeber untergraben! Offensichtlich um Telekommunikationsunternehmen nicht zu verprellen, lässt der Bundestag als Bundesgesetzgeber Tricksen, Täuschen und Betrügen ins Land ziehen.
Während in den meisten anderen europäischen Ländern Behörden die Einhaltung von Verbraucherschutzgesetzen im Geschäftsverkehr kontrollieren, überlassen wir dies zur Hauptsache individuellen Abmahn-Initiativen Schon in 2006 konstatierte der Dachverband der deutschen Verbraucherorganisationen diese deutsche Besonderheit in seiner Hauszeitschrift (siehe dort 4. Textabsatz) — ↗ https://web.archive.org/web/20070927184158/http://www.vzbv.de/start/index.php?page=themen&bereichs_id=5&themen_id=21&dok_id=589 und Verbandsklagen. Wenn es daher bei uns umso mehr auf ein halbwegs funktionierendes Abmahnwesen ankommt, sollten den Wirtschaftsteilnehmern vom Gesetzgeber justiziable Möglichkeiten zum Einschreiten an die Hand gegeben werden, um Abmahnungen durch Effizienz aufzuwerten. Anwälte und Verbraucherzentralen können von dem Instrument der wettbewerblichen Abmahnung (§ 12 UWG) nur dann wirksam Gebrauch machen, wenn das Gesetz wenigstens insoweit eine verlässliche, zupackende Handhabe liefert. Das UWG bedarf dringend vier wichtiger Klarstellungen (siehe Kapitel 10.3).
Dies vorzubereiten, sollen die folgenden Ausführungen dienen. Auf diese Weise könnte der Gesetzgeber des TKG einmal auf seine Drahtzieherei verzichten, würden die Telefonanbieter nicht länger in der Rolle der Nutznießer von Kosten- und Abofallen agieren und müsste die Telefonlobby von ihrer Rolle als Beschützer der Kostenfallen im Internet ablassen.
Ich gebe hier noch einmal eine Auflistung der hauptsächlichen Missstände, deren Mitverursachung durch die bestehenden Gesetze wohl genug erkennbar geworden ist.
Rechtsgebiet | Verstoß gegen | Verletzender Vorgang beim Mobilfunkanbieter |
---|---|---|
1 Zivilrecht (Kapitel 4.1) |
§ 241 Abs.2 BGB | fehlendes Rücksichtnehmen auf die Interessen und Rechtsgüter des Partners |
2 Zivilrecht (Kapitel 4.3) |
§ 404 BGB | unzulässiges Verweisen an den Inhalte-anbieter bei Beanstandungen |
3 Zivilrecht (Kapitel 4.4) |
§ 305c BGB | genehmigungsloses Einziehen von Forderun-gen insbesondere aufgrund unwirksamer AGB |
4 Wettb-Recht (Kapitel 8.2) |
§ 3 Abs.2 UWG | unlauteres Erschwindeln einer abweichenden Verbraucherentscheidung durch Täuschen, Vertuschen, Einschüchtern |
5 DatenschutzR (Kapitel 5.7) |
Artikel 6 Abs.1 f DS-GVO |
Missachten des gewichtigeren Datenschutz-Interesses des Betroffenen (wenn Kunde befürchten muss, Betrugsopfer zu werden) |
6 Strafrecht (Kapitel 6.2) |
§§ 263, 27 StGB | Leisten von Beihilfe durch Ankauf einer unter Betrugsverdacht stehenden Entgeltforderung – vernachlässigte strafrechtliche Prüfung |
Ferner insbesondere:
Rechtsgebiet | Kollidierende Normen | Rechtswirkungen |
---|---|---|
7 Datenschutz |
45d Abs. 3 TKG kollidiert mit § 4 Abs.2 Satz 2 Nr.2 BDSG bzw. Art.6 Abs.1 f. DS-GVO | Datenpreisgabe (bei vom Kunden nicht ge-nehmigter Kooperation) an den Inhalte-anbieter trotz Anfangsverdachts einer betrügerischen Herkunft der Entgeltforderung |
8 Lobbying (Kapitel 5.5) |
§ 149 Abs.2 Satz 1 bzw. Satz 2 kollidiert mit Art.24 VerbrR-RiL | unzulängliches staatliches Sanktionieren von Gesetzesverstößen auf breiter Front |
Alle sechs der oben an erster Stelle aufgeführten, von Telefonanbietern begangenen Gesetzesverstöße bleiben für die Verursacher bis heute praktisch folgenlos!
Hätte man allerdings den Telefonanbietern einige dieser Verstöße nicht durchgehen lassen, wäre schon dadurch das Geschäftsmodell der Telefonanbieter, das die Kosten- und Abofallen befördert, in Bedrängnis geraten. Möglicherweise gäbe es dann die Kosten- und Abofallen heute auch bei uns nicht. Doch das Urteil des Rechtshistorikers Detlef Liebs In der Einleitung zu seinem Werk: 'Lateinische Rechtsregeln
und Rechtssprichwörter', Beck München 1991, S.13.
fällt leider eher bedrückend aus: "Elementare Gerechtigkeitsanforderungen werden auch hierzulande immer wieder missachtet, nicht nur von politischer Seite, sondern auch von der Juristenzunft im engeren Sinne". —
Wer Kostenfallen bekämpfen will, muss gegen die DuldungDie zu beklagende Indolenz beginnt schon in den Kommentaren zum TKG-Gesetz, für die die durch den Lobbyismus angerich-teten Verzerrungen und Verunstaltungen kein besonderes Thema sind. Jedenfalls begegnen einem in den Kommentaren von Spindler/Schuster (2015), Gersdorf/Paal (2017 online), Arndt/Fetzer (2015) und Geppert/Schütz (2013) allenfalls beiläufige Hinweise. von Gesetzesverstößen und auch gegen die hier oben aufgelisteten skandalösen Gesetzeswidersprüche vorgehen.
Die Verödung der Kosten- und Abofallen wird am zuverlässigsten gelingen, wenn die vom Gesetz ignorierten Einstiegsmöglichkeiten in die Tricksereien (siehe Kapitel 1.4 und 8.2) direkt aufs Korn genommen werden. Da es um das Beenden unlauterer firmeneigener Handhabungen beim Verwerten gekaufter Kundenforderungen geht, schlage ich vor, unter die beispielhaften Aufzählungen im Anhang des UWG-Gesetzes zur Konkretisierung der mit dem Begriff unlauter umschriebenen gesetzlichen Sachverhalte zusätzlich die folgenden vier Handlungsweisen des Wettbewerbers mit aufzunehmen. Damit soll der abstrakt formulierte zentrale Grundsatz des UWG in § 3 Abs. 2 eine weitere praxisnahe Veranschaulichung erfahren. Er wird für künftige Abmahnungen dadurch endlich ohne Weiteres handhabbar.
Der Vorschlag:
Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 3 sind [. . .]
"31.
(1) die Existenz oder die Höhe einer erstmals in Rechnung gestellten Forderung vom Schuldner nur durch den Zutritt zu einem Kundenzentrum oder einer Datenbank des Gläubigers wahrgenommen oder aufgedeckt werden kann oder
(2) der Text zur Erläuterung des Rechnungspostens so ungenügende Angaben über dessen Entstehung oder dessen Vertragsinhalt enthält, dass der Empfänger den Rechnungsposten nicht zuverlässig anhand tatsächlicher Vorgänge auf seine Berechtigung prüfen kann oder
(3) die Forderung in ein schon eingerichtetes automatisches Einzugsermächtigungsverfahren einbezogen oder an einem Prepaidguthaben für Verbindungsgebühren gekürzt wird, obwohl der Verbraucher nicht in informierter Weise zu solcher Einbeziehung oder Kürzung seine ausdrückliche Zustimmung in Textform gegeben hat, oder
(4) dem Verbraucher das nahe Bevorstehen einer Zwangsmaßnahme (wie AnschlussSperre, SIM-Kartenentzug, Verfall von Nutzungsrechten, Meldung an Auskunfteien oder Ähnliches) angekündigt wird, obwohl für die Einleitung solcher Maßnahme noch nicht alle gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen."
Diese vorgeschlagenen Präzisierungen nehmen in erschöpfender Weise den Tricksereien jede Angriffsfläche.
Letzte inhaltliche Bearbeitung: 01.12.2018
← voriges Kapitel zu Anhang 1 →
©dahl 2017