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Gerhard Dahl, Titisee-Neustadt
      Telefonkonzerne und ihre Lobby sind Meister
      im Ausschlachten der Kosten- und Abofallen  

Inhaltsverzeichnis
Gewünschtes Kapitel bitte hierunter anklicken

  1. Einleitung
  2. Grundverschiedene Varianten des Vertriebs von Kleinstprogrammen
  3. Kostenfallen gedeihen nur in der Regie und unter den Drohpoten-zialen der Telefonkonzerne
  4. Rechts- und Vertragsverstöße mancher Telefonkonzerne ziehen unser Recht in Mitleidenschaft
  5. Das geschundene und 'zerklüftete' Recht im Mobilfunksektor
  6. Arbeitsspuren und Erfolge der Telefon-Lobby im Mobilfunk­bereich
  7. Das Strafrecht und die Beihilfe zum Betrug
  8. Ein vom Gesetz stark verzerrter Wettbewerb beim Vertrieb der Kleinstprogramme als Nähr- boden für 'Schmuddelecken'
  9. Das Verhindern von Kostenfallen obliegt dem Wettbewerbsrecht
  10. Der Gesetzgeber belässt es bisher beim bloßen Eindämmen der Kosten- und Abofallen
  11. Gesetzesvorschlag, um Anreize
    für ein Tricksen zum Versiegen
    zu bringen
  12. Anhang 1: Wie befreie ich mich aus einer Kostenfalle, wenn ich mir ziemlich sicher bin, willentlich keinen Bestell-Button des Dienst-leisters angeklickt zu haben?
  13. Anhang 2: Die zwei Varianten der Kosten- und Abofallen
  14. Impressum   Datenschutz

5  Arbeitsspuren und Erfolge der Telefon-Lobby
P  im Mobilfunkbereich


5.1  Arbeitsweise des Lobbyismus
5.2  § 45p TKG (Inhaltliche Informationen zur Rg-position dürfen unterbleiben)
5.3  § 45d Abs.3 TKG (Optionales Sperren der Bezahlfunktion des Smartphones)
5.4  § 45h Abs.3 TKG (Rg-Einwendungen nur gegen den bisherigen Gläubiger?)
5.5  § 149 Abs.2 TKG (Nichtumsetzung von EU-Vorschriften zur gebotenen
    Sanktionierung und Informationsübermittlung)
5.6  § 45k Abs.2+3 TKG (Anbieterseitige AnschlussSperre in zwei Varianten)
5.7  Der gesetzliche Ausdruck "Inanspruchnahme einer erbrachten Leistung"
    verzerrt den gemeinten Gesetzestatbestand, um dahinter die vertrags-
    widrige Eigenmächtigkeit unsichtbar zu machen
5.8  §§ 45h + 45p TKG (Die Kuriosität von überlappenden Gesetzesnormen)

  5.1  Arbeitsweise des Lobbying

Lobbyisten darf man sich nicht als unauffällig agierende Eindringlinge in die Sphäre von Exekutive oder Legislative vorstellen. Lobbying findet auch nur ausnahmsweise als dezente Tuchfühlung auf irgendwelchen Foyers oder Wandelgängen statt. Vielmehr stellt man dieser ehrenwerten Berufsgruppe Folgende Verbände tummeln sich in der Telekommuni-
 kationswirtschaft: ANGA, BITKOM, BREKO, BUGLAS, VATM.
 
oftmals Arbeitsplätze unmittelbar in Ministerien oder Behörden zur Verfügung, wohin sie meist als Firmen- oder Institutsmitarbeiter delegiert werden, um hier ihre Sicht von Fachverständnis und Fachwissen in die amtliche Arbeit einzubringen. Das Lobbyismus-Lexikon von Lobbypedia und LobbyControl eV. dokumentierte eine Zeitlang, wer von wem wohin für wielange wegen welches Themas abgeordnet wurde. Im Internet ist diese Sisyphus­arbeit beispielsweise hier aufgelistet:

https://lobbypedia.de/index.php/Lobbyisten_im_Bundesministeri
um_f%c3%bcr_Wirtschaft_und_Technologie#Deutsche_Telekom

– Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite muss ein Lobbyist natürlich alles daran setzen, mit einem zustande gebrachten Resultat künftig auf möglichst wenig "Gegenwind" zu treffen, also etwa bei ausgearbeiteten Gesetzentwürfen möglichst wenig Widerspruch bei Opponenten zu provozieren. Das gelingt nur durch eine Vorgehensweise, die wenig "Arbeitsspuren" des Lobbyings in der Öffentlichkeit hinterlässt, so dass Meinungs­gegner die geistigen Urheber der Eingriffe in die zu regelnde Materie nicht sicher ausmachen können. Entwurfseigenarten soll man eher der Natur des Politikbetriebs zuschreiben können.

Im Telekommunikationsgesetz (TKG) lassen sich an etlichen Stellen die Spuren lobbyistischen Wirkens unschwer erkennen. Gelegentlich verdichtet sich ein Verdacht zur Gewissheit, etwa wenn die entstellende Wirkung derart krass ins Auge fällt, wie das im Beispiel des Kapitel 4.5 der Fall war, wo das Gesetz das naheliegende nötige Verbot der treuwidrigen Übermittlung identifizierender Daten ersetzt durch die Einräumung einer bloßen Kundenoption der Datensperre und dabei den Versuch macht, dieses Ausweichen auf einen Ersatz als harmlos und unschuldig aussehen zu lassen. Die auffälligen "Verbiegungen" können hier keinesfalls mehr einer Ungeschicklichkeit oder Nachlässigkeit der Gesetzes­entwerfer zuge­schrieben werden.

Lobbying gelangt schon dann zu Einfluss, wenn sich etwa innerhalb einer Regierung Bestrebungen von Minderheiten gegen eine vorherrschende parlamentarische Mehrheit verdeckt durchzusetzen verstehen. Ein verdecktes Agieren gibt es natürlich auch von Seiten der Mehrheit, wenn diese der Opposition möglichst wenig Angriffs­fläche bieten will und daher ihre eigene "Handschrift" einem Gesetz- oder Änderungs­entwurf nur unauffällig aufprägt.

Da wir annehmen mussten, dass gerade die weniger seriösen Geschäfte des Vertriebs von Kleinstprogrammen den Mobilfunkanbietern die höchsten Erträge bescheren, werden wir uns vorzugsweise diesen Nebengeschäften widmen. Die vertraglichen Inhalte der Nebengeschäfte erfahren ihre Normierung zur Hauptsache im TKG. Im Folgenden wollen wir einmal der praktischen Lobbyarbeit im Umfeld der Kosten- und Abofallen über die Schulter schauen; denn die Lobbyisten entpuppen sich als die typischen Beschützer der Kostenfallen.

a)  Lobbying, das die Wirkung von Gesetzbestimmungen
   abzuschwächen sucht

Lobbying kann sich darauf verlegen, eine mehrheitlich angestrebte Maßnahme unauffällig zu sabotieren, indem ihr Gelingen trickreich hintertrieben oder ihre Wirkung unmerklich abgeschwächt oder vereitelt wird.

5.2    § 45p TKG  (Inhaltliche Informationen zur Rechnungsposition
      dürfen unterbleiben)

Wenn § 45p Abs. 1 TKG dem Telefonanbieter zugesteht, nur wenige Informationen an den Teilnehmer (Kunden) zu übermitteln, so dass solche unvollständigen Informationen den Teilnehmer bezüglich der ihm in Rechnung gestellten Entgelte nur ungenü­gend aufklären, so sucht das Gesetz nicht etwa den Telefonanbieter vor einer gewissen Arbeitsbelastung zu schützen. Denn vom fremden Inhalteanbieter erhält der Telefonanbieter ohnehin lückenlos  Bei bis zu 200 Telefonanbietern, die als Einrichter der Mobilfunklizenz mit ihren Inhalteanbietern in Kontakt treten, wird kein Telefonanbieter bei seinem Massengeschäft der Forderungskäufe huddeln und unvollständige Forderungs­anmeldungen akzeptieren. alle Daten einschließlich der MSISDN, der Art der Dienstleistung, des Vertrages und des Entstehungsgrundes der Forderung, so dass sich der Telefonanbieter aussuchen kann, welche er davon weiterreicht. Vielmehr muss der Telefonanbieter die zurückzuhaltenden Daten gegenüber dem Teilnehmer (arbeits­aufwändig) auswählen und ggf. eigens unterdrücken, um sie ihm vorzuenthalten.

Das Gesetz sucht dem Telefonanbieter "grünes Licht" für die Behinderung des Teilnehmers zu geben, und zwar offensichtlich mit dem Ziel, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass der Teilnehmer die erfolgte Abbuchung als schwer aufklärbar hinnimmt, ohne zu wissen, wofür abgebucht wurde. Es ist nirgendwo ein anderer plausibler Grund für die Regelung des § 45p Abs. 1 TKG zu erkennen als darin, der Telefonlobby einen Erfolg zuzuschanzen. Selbst als Inkassobetreiber würde es dem Telefonanbieter nicht an dem nötigen Wissen für die Informationserteilung fehlen - gegenteilige Argumente "passen" einfach nicht in ein Informationszeitalter, in dem Daten leicht erlangt und gespeichert werden können, Datendefizite aber wie Sand im Getriebe wirken.

Zugleich unterstützt das Gesetz den Telefonanbieter darin, grundlegende Adressdaten zur Identität des fremden Inhalteanbieters ebenfalls vor dem Teilnehmer zurückzuhalten, bis sie vom Kunden abgefordert werden. Schrumpft eine Informations-­"Bringschuld" aber zur Informations-"Holschuld", so bedeutet das bei den typischen Kleinstbeträgen schon eine weitgehende Entwertung des Rechts auf Information.

Im Wissen, dass der Kunde bürokratischen Aufwand scheut und abgeneigt ist, extra eine E-Mail richtig zu formulieren und an die oft nicht leicht zu ermittelnde Adresse des Telefonanbieters auf den Weg zu bringen, sodann für den Vorgang eine Antwortfrist zu notieren und den Fristvermerk im Kalender laufend zu überwachen, sucht der Lobbyist diesen Aufwand so oft wie möglich auszulösen. Der Kunde hofft, den eigentlichen Sachvorgang der Bestellung in seiner Erinnerung zu behalten und beschränkt die spätere Prüfung der Rechnungsbelastung auf das, an was er sich noch erinnern zu können glaubt. So hat die Lobby durch Einfügen der Wörter "auf Verlangen" in den Gesetzentwurf zusätzlich das Ziel erreicht, den Anbieter profitieren zu lassen von einer Erinnerungsschwäche des Kunden und seiner verständlichen Abneigung, eine mangelhaft erläuterte Kleinbestellung umständlich aufzuklären.

Die Lobby hinterlässt weiterhin ihre Spuren im Absatz 2 des § 45p TKG. Hiernach hat nicht der Telefonanbieter, sondern nur der Inhalteanbieter (bezeichnet als "verant­wortliche(r) Anbieter einer neben der Verbindung erbrachten Leistung") gegenüber dem Kunden den anderen Teil der nötigen Daten herauszurücken. Der Absatz 2 schwächt durch Verweisung an den dem Kunden nicht bekannten Inhalteanbieter den Anspruch des Teilnehmers auf Informationen zu "Grund und Gegenstand des Entgeltanspruchs" und zur "Art der erbrachten Leistung" weiter ab. Machen wir uns klar: Der Dienstleister (Inhalteanbieter als Zedent der Forderung) unterliegt nach § 402 BGB gegenüber dem Telefonanbieter rechtlich einer umfassenden Auskunfts­pflicht. Der Telefonanbieter seinerseits unterliegt nach § 410 Abs.1 BGB darüber hinaus gegenüber seinem Kunden sogar der Pflicht zur Aushändigung einer vom bisherigen Gläubiger ausgestellten Abtretungs­urkunde - die Winzigkeit der Forderung beseitigt diese Pflicht nicht. Doch dessen ungeachtet gibt Absatz 2 des § 45p TKG dem Kunden erstens einen Auskunfts­anspruch in der Sache nicht gegen den Telefonanbieter, sondern nur gegen den Inhalteanbieter (Dritten). Dessen Adressdaten (siehe vorigen Absatz) kann der Kunde aber nicht ohne den Umweg über den Telefonanbieter erfahren. Und zweitens wird § 45p Abs. 2 TKG dadurch als möglichst harmlose Anordnung hingestellt, dass der nötige Ausdruck "nur" mehrfach weggelassen wird. Der Absatz 2 hätte nämlich, um sichtbar zu machen, dass ein berechtigtes Interesse vom Gesetz abgewiesen wird, in richtiger Akzentuierung wörtlich in etwa heißen müssen:

«(2) Nur der verantwortliche Anbieter einer neben der Verbindung erbrachten Leistung muss den Teilnehmer über den Grund und Gegenstand des Entgeltanspruchs (...) , insbesondere über die Art der erbrachten Leistung, unterrichten, und zwar nur auf Verlangen des Teilnehmers».

Dasselbe ist auch bei Absatz 1 zu beanstanden, der ohne Beschwichtigungstendenz etwa so hätte lauten müssen:

«(1) Stellt der Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommu­nikations­diensten dem Teilnehmer eine Rechnung, die auch Entgelte für Leistungen Dritter ausweist, so muss er dem Teilnehmer nur auf Verlangen und nur die folgenden Informationen unverzüglich kostenfrei zur Verfügung stellen:   1. die Namen und ladungsfähigen Anschriften der Dritten, (...)».

Das Handeln-Müssen nur "auf Verlangen" ist für den (fremden) Inhalteanbieter natürlich sehr komfortabel. Wie geschildert, ist alles nachträgliche Zusammenklauben von Informationen für den mobilen Kundenpraktisch unzumutbar. Obwohl nun allerdings die VerbraucherRechteRichtlinie aus Brüssel vom 25.10.2011 in ihrem Artikel 8 Absatz 7 dem nationalen Gesetzgeber keine Wahl lässt und an der Pflicht des Inhalteanbieters zur Mitteilung des kompletten künftigen Vertragsinhalts (z.B. per E-Mail) festhält, setzt sich der deutsche Gesetzgeber darüber hinweg. Auch dieses Ergebnis dürfte wohl die Telefonlobby für sich als Erfolg verbuchen. Erreicht wird damit die unauffällige Schlechterstellung des Verbrauchers - zugunsten des Telefonkonzerne.

In  Artikel 8 Abs.7 dieser EU-Richtlinie 2011/83/EU heißt es zur nötigen schriftlichen Vertragsbestätigung des Inhalteanbieters an den Kunden:

«(7) Der Unternehmer stellt dem Verbraucher die Bestätigung des geschlossenen Vertrags innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Abschluss des Fernabsatzvertrags auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung, und zwar spätestens bei der Lieferung der Waren oder bevor die Ausführung der Dienstleistung beginnt.  Diese Bestätigung enthält:
a) alle in Artikel 6 Absatz 1 genannten Informationen [ . . .   wird fortgesetzt]».

Der deutsche Gesetzgeber halst stattdessen im § 45p Abs. 2 dem Kunden, falls diesem so viel daran liegt, die Arbeit auf, seinerseits vom Inhalteanbieter (nicht vom Tel-Anbieter) sich den Vertragsinhalt z. B. per E-Mail übermitteln zu lassen - ein fast immer wertloser(!) Anspruch, da der Inhalteanbieter die Entgeltforderung längst an den Telefonanbieter verkauft hat und sich kaum noch die Mühe für einen Dienst aus Freundlichkeit machen wird. Ein Verweisen des Kunden an den Inhalteanbieter kann nur in den extrem seltenen Fälle des Forderungsinkassos eines Telefonanbieters sinnvoll sein. Doch der Gesetzgeber unterlässt es – wohl mit Bedacht –, den § 45p TKG auf diesen Inkassotatbestand zu beschränken und lässt damit die sinnwidrige Anwendung auf den Regelfall des Forderungskaufs Aus der Verwendung des mehrdeutigen Begriffs "Entgelte" und der Vermeidung des Begriffs "Entgeltforderungen" in § 45p Abs. 1 lässt sich nicht das Gegenteil: eine Beschränkung auf Inkassofälle herauslesen.
 
zu – eine krasse "Fehlleistung" des Gesetzgebers, aber ein großartiger Lobbyerfolg.

5.3     § 45d Abs.3 TKG  (Optionales Sperren der Bezahlfunktion des Smartphones)

Als der Bundestag 2012 das Gesetz zur Einrichtung der sog. Drittanbietersperre erließ, mit der verhindert werden kann, dass insbesondere die Fremdentgelte für separate Dienstleistungen auf die Gebührenrechnung gesetzt und mit eingezogen werden, wurde der Effekt der Bezahlsperre jedoch dadurch erheblich abgeschwächt, dass es für diese Sperre eigens eines Antrags durch den mobilen Kunden bedarf. Die Bezahlsperre sollte nur eine Option für Nutzer sein.

Es war aber bis zu einem gewissen Grad voraussehbar, dass nur ungeübte Smartphone-Nutzer von der Option Gebrauch machen würden, während die meisten Nutzer es eher als eine "Selbstbeschädigung" ihrer Möglichkeiten empfinden, sollten sie freiwillig eine ihnen eröffnete Funktion auslöschen. So hatte auch dieses Gesetz vor allem die Aufgabe, das Publikum zu besänftigen, mag es auch von der Lobby als Problem­lösung abgehakt worden sein. - Erfahrungsgemäß tappen heute selbst die gewitztesten Surfer gelegentlich in die Kostenfallen und müssen berappen. Smart­phonenutzer werden aber nicht einsehen, warum sie ihr Gerät gleichsam "sterilisieren" sollen, statt dass der Gesetzgeber der Telefonlobby in puncto Kostenfallen nicht länger nachgibt und kurzer­hand die Dreistigkeiten der Telefonbranche stoppt.

5.4     § 45h Abs.3 TKG  (Rg-Einwendungen nur gegen den bisherigen Gläubiger?)

Um der Angewohnheit der Telefonanbieter, Beanstandungen von Kunden abzulehnen, die sich gegen berechnete Separatentgelte richten, nur zum Schein einen Riegel vorzuschieben, rückte der Gesetzgeber 2007 den in Wirklichkeit hilflosen § 45h Abs. 3 ins TKG mit folgendem Wortlaut ein:

“Das rechnungsstellende Unternehmen muss den Rechnungsempfänger in der Rechnung darauf hinweisen, dass dieser berechtigt ist, begründete Einwendungen gegen einzelne in der Rechnung gestellte Forderungen zu erheben.”

Doch schon ein Laie kann die Unaufrichtigkeit dieses Paragrafen erkennen, der nur so tut, als ob er eine wirksame Regel zur Verfügung stellt, in Wirklichkeit aber genau dies zu vermeiden sucht. Der Paragraf liefert eine halbe und damit wertlose Sache. Erstens taugt eine eingerichtete "Berechtigung" nichts, wenn der Adressat der Berechtigung verborgen bleibt, so dass die entscheidende Frage der passiven Zuständigkeit (Passiv­legitimation) unbeantwortet bleibt: ob nun der Telefonanbieter (als "rechnungsstellendes" Unternehmen) oder nicht etwa der Inhalteanbieter der Adressat der Kundenbeanstandung sein soll und bei Untätigkeit Nachteile hinnehmen muss. Der Laie wird sich mit eigenen Vermutungen behelfen: Naturgemäß hat für ihn nicht "das rechnungsstellende Unternehmen", sondern dessen Lieferant oder Hersteller das bessere Wissen, um auf "begründete Einwendungen" zu antworten. Also wird er den Inhalteanbieter anzusprechen suchen, und da er sich unsicher fühlt, wird er eher nur bitten statt zu verlangen.

Zweitens entbehrt die neue Norm einer Sanktionierung (dazu Näheres im folgenden Kapitel 5.5) und ist damit nichts weiter als eine wertlose Schönwetternorm.

Einmal mehr erlebt der mobile Kunde eine Schwächung seiner Position. Ich möchte daher vermuten, dass auch hier die Telefonlobby ihre Hand im Spiel hatte und das Verhindern einer klaren gesetzlichen Regelung als ihren Erfolg betrachten kann; denn allzu deutlich ist hier ihre Arbeitsspur. Die grundlegende Regelung im BGB (§ 404) kann ein Laie solange nicht berücksichtigen, solange er noch nicht einmal vom Telefonanbieter erfährt, wie dieser überhaupt an die Forderung gelangt ist, ob sie ihm nur zum Inkasso abgetreten wurde oder ob sie ihm als Handelsgut verkauft wurde. Er weiß damit noch nicht einmal, dass der Vorunternehmer des Telefonanbieters als Verkäufer nach außen hin längst "aus dem Rennen" ist und der Kunde mit fehlgeleiteten Beanstandungen in einer Sackgasse landet. Der Lobby wird es zu danken sein, dass noch nicht einmal ein dem § 404 BGB entsprechender Hinweis ins Gesetz zu § 45h TKG aufgenommen wurde. – Diejenigen Abgeordneten, die all die neuen Bestimmungen ins Telekommunikationsgesetz aufgenommen haben, scheuen noch nicht einmal das Sichtbarwerden ihrer ungehemmten korruptiven Aktivität. Man mag es kaum glauben, wie "furchtlos" sich hier der Deutsche Bundestag als Ort von Korruption entpuppt und welch ehrwürdige Unterschriften der höchsten politischen Ebene sich zum Schluss unter den Gesetzesausfertigungen wiederfinden.

5.5     Nichtumsetzung von EU-Vorschriften zur gebotenen Sanktionierung
     und Informations-Übermittlung

Bei diesem Themenkomplex handelt es sich um ganz gezielte, systematische Unterlassungen bei der Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinien im Telekommunikationsgesetz. Schaut man sich die Defizite unserer Regierung bei der Umsetzung der von der EU gemachten Vorgaben genau an, verrät sich, dass die Defizite die Stellung der Unternehmer (Telefonanbieter und ihre Inhalteanbieter) privilegieren und die der Kunden diskriminieren. Der sonst so artig hofierte "Verbraucherschutz" ist für Regierung und Bundestagsabgeordnete hier evident nur noch ein Lippenbekenntnis.

Folgende EU-Vorgaben wurden beispielsweise nicht oder nicht vollständig umgesetzt:

In Artikel 24 der erwähnten VerbraucherRechteRichtlinie 2011/83/EU wird den Mitgliedsstaaten auferlegt, für eine gesetzliche Sanktionierung der Regelverstöße Sorge zu tragen und auf die "angemessene und abschreckende" Wirkung zu achten. Diese Vorgabe schrumpft in § 149 Absatz 2 Satz 1 TKG zu einer bloßen Kannvorschrift. Und in § 149 Absatz 2 Satz 2 unterbleibt überhaupt die Bußgeld-Orientierung am Abschre­ckungszweck oder an einem sonstigen Maßstab von nennenswertem Gewicht. Wird also etwa eine nach § 45p Absatz 1 TKG dem Verbraucher vom Telefonanbieter auf Verlangen zu gebende Information nicht übermittelt, so qualifiziert § 149 Absatz 1 Nr. 7h TKG diesen Verstoß zwar als Ordnungswidrigkeit, die Bundesnetzagentur als Bundesoberbehörde soll aber nach § 149 Absatz 2 Satz 2 iVm. Satz 1 Nr. 3 TKG nur den "wirtschaftlichen Vorteil", den der Verpflichtete aus dem Unterlassen der Verbraucherbenachrichtigung gezogen hat, erfragen und zum Bußgeldmaßstab nehmen. Eine Farce.

Denn was soll ein Ermitteln des "wirtschaftlichen Vorteils" von unterlassenen Verbraucherinformationen bringen? Diese abwegige Idee des TKG zeigt, dass die Regierung, aus welchem Motiv auch immer, gar kein wirksames Eingreifen in Unternehmeraktivitäten wünscht. Auch müsste man eine überzogene Kommerziali­sierung gesellschaftlicher Lebenserscheinungen bejahen, um sogar bei arglistigen Tricksereien deren finanzielle Vorteile kapitalisieren zu können und ein Bußgeld in Form einer Geldssumme zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund kann auch die Bundesnetzagentur mit ihrem 32-köpfigen Verwaltungsrat beim Verhängen von Geldbußen nur lavieren, aber wohl keine Sachentscheidungen erwarten lassen, die mehr sind als Augen­wischerei gegenüber einem laienhaften Publikum.

Welcher Gesetzesleser erkennt im Übrigen, dass all die wohlklingenden, den Telefonanbietern etwa in § 45h TKG scheinbar als ein "Muss" auferlegten Informations­pflichten in Wirklichkeit nur Beruhigungspillen für das Publikum sind, da § 149 Abs.1 TKG alle auf das Erstellen eine Rechnung bezogenen Informationspflichten nicht einmal mit einer Sanktionierung verbunden hat? Sicherlich ist auch dieses evidente Defizit ein gelungener Erfolg der Telefonlobby.

Anderes Beispiel:
In Artikel 8 Absatz 7 der genannten (weiter oben in 5.2 zitierten) VerbraucherRechte­Richtlinie wird u. a. die Art des Mediums vorgeschrieben, das für die Übermittlung von Informationen vom Inhalteanbieter an den Verbraucher zu verwenden ist:  ein "dauerhafte(r) Datenträger" muss es sein, also z. B. eine E-Mail.   In § 312i Absatz 1 Nr. 4 BGB n. F. ist diese Vorgabe für den Unternehmer dann zwar scheinbar "umgesetzt" worden:

«(...) hat er dem Kunden (...) 4. die Möglichkeit zu verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäfts-bedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern».

Doch mangels wirksamer Sanktionierung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das den nötigen Wettbewerb in der Wirtschaft hochhalten soll, läuft auch hier die Norm völlig leer, diesmal als BGB-Norm.

Die Folge für den Bereich der Kostenfallen: Die Verbraucher finden, trotz ihres ausdrücklichen gesetzlichen Anspruchs hierauf, in ihrem E-Mail-Postfach keine Kopien der geschlossenen Verträge mit ihren Kleinprogramm-Inhalteanbietern für die per Handy bestellten Dienste vor. Sie können daher meistens noch nicht einmal den Inhalteanbieter ausfindig machen und richtig identifizieren. Die Telefonanbieter und ihre Lobby wird es freuen, dass dem Verbraucher das Prüfen von Buchungen seiner Telefonrechnung auf Schritt und Tritt gesetzlich erschwert wird.

Zwar lässt jedes beharrliche Nichtumsetzen von Bestimmungen einer EU-Richtlinie es auf ein von der EU-Kommission eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren und letztlich auf eine Sanktionierung durch den EuGH ankommen; denn die Verpflichtung zur Umsetzung von Richtlinien ergibt sich aus Art. 288 Abs. 3 AEUV.  Doch wo kein Kläger, da kein Richter – so geht die Rechnung der Gesetzesentwerfer und der Telefon­lobby auf. P

b)  Lobbying, das die Wirkung von Gesetzbestimmungen zu
   intensivieren sucht

Lobbying kann es auch darauf anlegen, die Wirkung einer allgemein geltenden Maßnahme noch erheblich zu verstärken oder in ihrer Anwendungsbreite auszudehnen.

5.6    § 45k Abs.2+3 TKG (anbieterseitige Tel-AnschlussSperre in zwei Varianten)

§ 45k TKG befasst sich mit dem privilegierten Druckmittel einer Sperre des Telefon­anschlusses durch den Telefonanbieter. Die einschlägigen Vorgehensweisen wurden ausführlich schon in den Kapiteln 2.3.1 und 2.3.2 dargestellt. Als privilegiert kann man das Druckmittel deswegen bezeichnen, weil nur die Telefonanbieter und keine anderen Unternehmer ein so hervorragend wirksames Druckmittel besitzen. Da aber in heutiger Zeit ein Telefon zur Befriedigung von unaufschiebbaren Grundbedürfnissen unver­zichtbar ist, darf eigentlich für den Fall rück­ständiger Gesprächs­gebühren das Droh- und Druckmittel der AnschlussSperre nicht ohne Wertabwägung angewendet und auch nicht schrankenlos mit Kunden "vereinbart" werden. Bei gewissenhafter Abwägung von Grundrechten können die Droh- und Druckmittel oft nur kurzfristig und stets nur insoweit Anwendung finden, als dies noch vom ausreichenden Schutzbedürfnis des Telefon­anbieters her gerechtfertigt sein kann. Die genannten Kapitel 2.3.1 und 2.3.2 zeigten aber, dass das TKG diese sachliche grundrechtskonforme Grenzziehung rundweg ignoriert. Man sucht vergebens nach einem Grund, warum sich der rigorose Gläubigerschutz laut den Absätzen 2 und 3 des § 45k TKG prinzipiell auch auf eine normale Handelsware in Form gekaufter Separatforderungen der Telefonkonzerne erstrecken soll, ein Schutz der Eintreibbarkeit von Forderungen, der in der allgemeinen Geschäftswelt unbekannt ist.

Den Grund kann man nur in der Aktivität der Telefonlobby sehen. Derselbe Lobbyeinfluss ist erst recht dort erkennbar, wo dem Telefonanbieter ein eiliges Vorgehen zugestanden wird, indem er nicht den Ausgang eines streitigen Verfahrens abwarten muss, das die gegen die Rechtmäßigkeit der Entgeltforderung erhobenen Einwen­dungen erst einmal prüft. § 45k Absatz 3 macht in dieser Hinsicht dem Telefonanbieter keine Auflagen für sein Vorgehen. Das Ziel der Lobby ist klar: Jede Verunsicherung und Beunruhigung des Kunden (Schuldners) erzeugt bei ihm Stress und lässt ihn oft von vornherein lieber resignieren. Ohne erkennbaren sachli­chen Grund unterlässt Absatz 3 eine dem Absatz 2 entsprechende Weisung auf die nötige Herausrechnung bestrittener Entgeltforderungen.

5.7     Der gesetzliche Ausdruck "Inanspruchnahme einer erbrachten Leistung"
      verzerrt den gemeinten Gesetzestatbestand, um dahinter die vertrags-
      widrige Eigenmächtigkeit unsichtbar zu machen

Wenn ein Gesetzgeber eine gesetzliche Norm schafft, verknüpft er einen in der gelebten realen Welt vorfindbaren Lebenstatbestand mit einer von ihm angeordneten Rechtsfolge, die künftig gelten soll. Erst muss er also den gemeinten Tatbestand beschreiben, dann kann er ihm die Rechtsfolge anfügen. Den Lebenstatbestand kann er sich nicht frei ausdenken, er muss sich an vorfindbare Bedingungen der gelebten realen Welt halten, um die Gesetzeswirkung nicht zu verspielen. Wenn es um wirtschaftsrechtliche Festlegungen geht, die in einer dem Wettbewerb geöffneten Wirtschaft gelten sollen, kommt der Gesetzgeber nicht umhin, zu differenzieren zwischen im weitesten Sinne wettbewerbskonformem, also rechtmäßigem Wirtschaftshandeln und nicht wettbe­werbskonformem, also nicht rechtmäßigem Wirtschaftshandeln von Wirtschaftsteil­nehmern.

Er kann z. B. nicht Erfolge einer notorischen Betrüger- oder Diebesbande aus ihren Beutezügen nach kaufmännischer Buchführung als "Gewinn" ausgeben, während solche Erfolge nur gewaltsam geschaffene "Vermögens­mehrungen" darstellen und keine den Marktregeln entsprechende "Wertschöpfungen" sind. Solange in einer Wirtschaft unter Wettbewerb gehandelt wird, gehört die Wettbewerbsmäßigkeit des Handelns, ohne betont werden zu müssen, notwendig zu dessen gesetzlichem Tatbestand.

Wenn es nun trotzdem dazu kommt, dass sich der Gesetzgeber unter dem Einfluss einer Lobby "taub" stellt und unrechtmäßiges Wirtschaftshandeln wider besseres Wissen wie rechtmäßiges Handeln seinem Tatbestand zugrunde legt und mit ihm eine angeordnete Rechtsfolge verknüpft, dann paktiert er absichtsvoll mit Lobbyisten und ihren Zielen und untergräbt zugleich unvermeidlich die am Markt herrschende (oder herrschen sollende) wettbewerbliche Kräftebalance. Das mit höherem Aufwand oder geringerem Ertrag verbundene regelkonforme Handeln gerät ins Hintertreffen. Salopp gesagt: Der "Wirtschaftsrowdy" hat die womöglich besseren ErfolgsChancen als der regelkonforme Akteur. Hierdurch entwickelt sich unausweichlich in dem betreffenden Markt ein Trend zur Regelmissachtung, für die der Gesetzgeber den Grund legt.

Diese Zusammenhänge müssen wir beachten, wenn wir im Folgenden die schon im Kapitel 4.5 behandelte gesetzliche Verwendung des Ausdrucks "Inanspruchnahme" einer "erbrachten Leistung" näher unter die Lupe nehmen. Diesem Ausdruck begegnen wir in den §§ 45d Abs. 3 und Abs. 4, Satz 1 und 2, (und beiläufig auch in § 43a Abs. 1 Nr. 14).

Von "Inanspruchnahme" einer "erbrachten Leistung" zu sprechen, während die Rechtswirklichkeit nur eine Zahlungsabwicklung des gegenseitigen Vertrages kennt, will anscheinend, wie schon im Kapitel 4.5 beschrieben, suggerieren, dass sich eigentlich schon aus der beendeten Leistungserbringung ein einseitiges Recht des Vermögenszugriffs, ein Recht der "Inanspruchnahme", ergibt, so dass genug gesagt ist, wenn man in die Richtung solcher Leistung und ihrer Erbringung verweist – als ob einer Leistung andernfalls ein (ihr angeblich innewohnender) Wert genommen würde. Damit soll sich nach dieser Suggestion anscheinend erübrigen, überhaupt einzugehen auf die Frage nach der nur im Konsens begründbaren und nur rechtlich zu bejahenden Zahlungspflicht.

Die dumpfe Rede von der erbrachten Leistung als einer Vorstufe für das Entstehen einer Zahlungspflicht will in § 45d Abs. 3 und 4 TKG den Boden dafür bereiten, dass das Einziehen von Entgeltforderungen nur von der erbrachten Leistung, nicht von der mit der Leistung vertraglich korrekt verknüpften Zahlungspflicht abhängt. Telefonanbieter sollen unangefochten die fremd erbrachten Leistungen dem Gebührenkonto zubuchen dürfen, nicht aber nur rechtmäßig geschuldete Zahlungspflichten. Das Ziel, für das der gesamte Zahlungspflicht-Aspekt ausgeblendet wird, ist also, die Telefonanbieter zu protegieren und deren eigenmächtiges Einziehen von Bankguthaben trotz bestehender Verdachtsgründe und trotz wettbewerbswidriger Arbeitsweise rechtlich gegen eine Diskriminierung dieser Arbeitsweise zu schützen.

Gegen diese Analyse der gesetzgeberischen Arbeitsweise kann nicht eingewandt werden, § 45d Abs. 3 und 4 TKG befassten sich überhaupt nicht mit Fragen der Diskriminierung oder Nichtdiskriminierung, ihnen gehe es um die Drittanbietersperre und sonst weiter nichts. Es ist eben die besondere Raffinesse der Lobby, im Wege der Beiläufigkeit zum Ziel zu kommen, ohne von den verfolgten Zielen im "Klartext" reden zu müssen. Der Gesetzgeber packt seine wichtigen Aussagen in seine abweichenden, aber unausge­sprochenen tatbestandlichen Prämissen.

Wenn Telefonanbieter geleistet haben, soll ihnen das einseitige Recht der Zubuchung des Leistungspreises auf das Telefonkonto und das Abbuchen des Preisbetrages vom Bankkonto nicht noch streitig gemacht werden können. Dieses Recht wird vom Gesetzgeber im Absatz 4 Satz 2 als so stark angedeutet, dass es sogar ggf. noch eines gesetzlichen Schutzes vor ihm bedarf: Die mit den Wirtschaftsverbänden von der Bundesnetzagentur noch auszuhandelnden neuen "Verfahren sollen den Teilnehmer wirksam davor schützen, dass eine neben der Verbindung erbrachte Leistung gegen seinen Willen in Anspruch genommen und abgerechnet wird" (§ 45d Abs. 4 Satz 2). Fehlt dieser Schutz, erfolgt der unternehmerische Durchgriff. Erst dem späteren Willen des Teilnehmers, sich zu schützen, und nicht dem auf Vertrag beruhenden Willen, von Anfang an nach Zivilrecht zu verfahren, kommt hier für den Gesetzgeber Gewicht zu.

So entpuppt sich der ganze Zweck der Begriffs-Neubildung einer angeblich zulässigen Leistungs-Inanspruchnahme als ein raffiniertes Manöver des Gesetzgebers und ist ein außerordentlicher Erfolg, den sich wiederum die Telefonlobby zuschreiben darf. Die Sonderregelung im TKG läuft faktisch auf eine Privilegierung der Telefonanbieter insoweit hinaus, als diese sich von nun an auf das TKG-Gesetz dafür berufen können, dass das heimliche Einschleusen und Abbuchen separater Rechnungsbeträge zur Normalität gehört und trotz fehlender Kundenzustimmung keineswegs zivilrechtlich treuwidrigAus § 241 Abs.2 BGB lässt sich jedoch folgern: Ein Handeln des Anbieters hinter dem Rücken des Kunden ist treuwidrig, wenn es einen nachteiligen Eingriff in die geschäftlichen Interessen des Kunden aus dessen Blickfeld herauszuhalten sucht. –
Zu § 242 BGB: Die Ausübung eines Rechts ist idR rechtsmiss­bräuchlich, wenn der Berechtigte es gerade durch ein vertrags­widriges Verhalten erworben hat (BGH 57, 108/11, NJW 13,1676).
 
, wettbewerbs­rechtlich unlauter§ 5a Abs.2 Nr.1 UWG erlaubt zu argumentieren: Es ist irrefüh­rend, wenn der Anbieter dem Teilnehmer die Information vor­enthält, dass eine Entgeltforderung mit Gebühren verquickt wurde, obwohl der Teilnehmer diese Information für den Be-ginn seiner rechtlichen Prüfung des Belastungsvorgangs benötigt, um über das Ob der Zahlung zu entscheiden. –
§ 4a Abs.2 Nr.4 UWG stützt die Feststellung: Es ist aggressiv, wenn der Anbieter mit einer eigenmächtigen Bankabbuchung eine für den Teilnehmer nachteilige  'vollendete Tatsache' schafft, die den Teilnehmer u. U. in die nachteilige Klägerrolle versetzen wird.
 
und datenschutzrechtlich unzulässigArtikel 6 Abs.1 f DS-GVO stellt sinngemäß für das Zurücktreten von berechtigten Interessen des Unternehmers hinter die Interessen des Betroffenen darauf ab, dass ein "Überwiegen" der Betroffenen-Interessen nachvollziehbar ist. Ein solches Überwiegen dürfte zweifellos gerade dann der Fall sein, wenn für den mobilen Kunden die geltend gemachte Entgeltforderung im Verdacht steht, sich hinsichtlich ihrer Herkunft einer unredli-chen Vorgehensweise zu verdanken. Die Datenpreisgabe, die der verunsicherte Betroffene im Moment der Leistungsbestel-lung unterlassen hat oder verhindern konnte, darf ihm nicht später abgerungen werden, nur weil der Rechtsnachfolger des Inhalteanbieters im Nachhinein auf dubioser Grundlage einen kommerziellen Vorrang berechtigter Interessen geltend macht, um die gekaufte Entgeltforderung selber abbuchen und einziehen zu können.
 
ist, sondern vielmehr grundsätzlich keinen gesetzlichen Bedenken begegnet. Die Rechtssuchenden sollen mit der angeblichen Harmlosigkeit einer übergriffigen Arbeitsweise der Telefonkonzerne vertraut werden und sich vielleicht auch an die neue hemdsärmelige Gangart einer neoliberalistischen Vorrangigkeit des Kommerziellen gewöhnen. –

Um die Dinge beim rechten Namen zu nennen, müsste das Gesetz also richtigerweise jeweils von der "zulässigen" oder "rechtlich zulässigen" Abrechnung und Zahlungs-Inanspruchnahme einer neben der Telefon-Verbindungsleistung erbrachten Leistung bzw. von dem "rechtlich zulässigen" Stellen einer Rechnung, die auch Entgeltforderungen für Leistungen Dritter ausweist, sprechen. Nur so könnten die Beteiligten nicht länger verdrängen, dass es sich bei solch finanziellem Inanspruchnehmen, Abrechnen und In-Rechnung-Stellen um Sachverhalte handelt, die in der Mobilfunkbranche meist gar nicht gegeben sind, zumal Verbrauchern nicht in den Sinn kommt, separate Geschäfte ihrer Telefonanbieter im Voraus gutzuheißen und zu genehmigen.

Da immerhin mehrere Bestimmungen des TKG den sprachlich entstellenden Ausdruck  "Inanspruchnahme (...) einer neben der Verbindung erbrachten Leistung" verwenden, finde ich es bedauerlich, dass alle vier Kommentare o  Beck'scher TKG-Kommentar, 4.Aufl. 2013, Hrsg: Geppert/
 Schütz, Beck Verlag;   Sachbearbeiter § 45d: Ditscheid/
 Rudloff.
o  Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3.Aufl.
 2015, Beck Verlag;   Sachbearbeiter § 45d: Sodtalbers.
o  Informations- und Medienrecht (Online-Kommentar),
 Gersdorf/Paal, 17.Edition, Stand: 01.08.2017, Beck Verlag.
o  Roßnagel, Beck'scher Kommentar Telemediendienste, 1.Aufl.
 2013, Beck Verlag;   Sachbearbeiter: Dix/Schaar.

    – dgl. das im Erich Schmidt Verlag erschienene Werk:
o  TKG: Telekommunikationsgesetz Kommentar, 2.Aufl. 2015
 (Druckausgabe), Hrsg: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich.
 Erich Schmidt Verlag.
 
zum TKG, die nach dem Jahre 2012 im angesehenen Beckverlag erschienen sind, stillschweigend eine problemlose Anwend­barkeit dieser Normen unterstellen oder sich anscheinend nicht getrauen, dem Gesetzgeber die Unzulässigkeit seiner "tricksenden" Formulierungen offen zum Vorwurf zu machen. Dadurch leisten Kommentare einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur unkritischen Hinnahme lobbyistischer Gesetzesein­griffe; denn Richter und Fachanwälte können sich von Fall zu Fall im Gedankengut von Kommentaren der Stimmigkeit ihrer Meinungen zu vergewissern suchen.

5.8     §§ 45h + 45p TKG (Die Kuriosität von überlappenden Gesetzesnormen)

Da Gesetze nur im Wege von Anordnungen gegenüber Personen das menschliche Verhalten regeln können, gehören Verständlichkeit und Kürze der Normtexte zu ihren notwendigen Qualitäten. Ein Gesetz sollte daher unbedingt "Redundanz" Hier: Das Machen einer mehrfache Aussage zum gleichen
 Gegenstand
vermeiden. Im Fall des Telekommunikationsgesetzes scheint diese Zielsetzung notfalls zurückstehen zu müssen hinter dem gelegentlichen Wunsch einer Telefonlobby, die für die Auftraggeber sichtbaren Spuren ihrer Mitwirkung nicht verwischen zu lassen. Wie groß der Druck ist, den die Lobby auf den Gesetzgeber ausgeübt hat, möchte man daran erkennen können, wie wenig es dem Gesetzgeber gelang, auch seine eigene "Handschrift" noch zur Geltung zu bringen.

Die Paragrafen 45h und 45p des TKG stammen ursprünglich aus dem Jahr 2007 und haben sich zunächst in der Weise ergänzt, dass  45h nur dem Telefonanbieter und § 45p nur dem Inhalteanbieter Vorschriften machte. Im Jahre 2012 wurden beide Bestimmungen erheblich erweitert. Und nun nahm anscheinend die Lobby den § 45p für sich in Beschlag, während beim § 45h anscheinend "das Ministerium" die Oberhand behielt.

Beim § 45p (in der "Obhut" der Lobby) wurde der Anwendungsbereich zwar auf den Telefonanbieter ausgedehnt, die inhaltliche Anforderung gegenüber dem Telefonanbieter jedoch im Vergleich zu der Anforderung gegenüber dem Inhalteanbieter (§ 45h Abs.1 TKG 2007) ganz erheblich abgeschwächt; denn der Telefonanbieter brauchte künftig überhaupt nur noch "auf Verlangen" eines Teilnehmers seiner Informationspflicht nachzukommen. Auch beschränkte sich diese Pflicht im Wesent­lichen auf die Bekanntgabe von Name und Adresse des Inhalteanbieters (§ 45p Abs.1 TKG 2012). Leistung und Leistungsgrund hingegen brauchten nicht benannt zu werden.

Beim § 45h (in der Obhut des "Ministeriums") blieb es bei dem bisherigen Anwendungsbereich, der ohnehin nur den Telefonanbieter betraf. Die inhaltlichen Anforderungen wurden in 2012 jedoch aufgestockt: Zum einen wurde dem Telefon­anbieter eingeschärft, dass er seine Informationen an den Teilnehmer "in einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form" geben müsse, zum anderen kam der Telefonanbieter nicht darum herum, die zusätzlichen Angaben unaufgefordert zu machen. Auch musste er die konkrete Bezeichnung der berechneten Leistungen in seiner Rechnung sichtbar machen (§ 45h Abs.1 Satz 1 Nr.1 TKG 2012).

Das Ergebnis kann man ein Kuriosum nennen. Es existieren nebeneinander eine zahme und eine resolute Fassung, so dass im Streitgespräch jede Partei auf den ihr mehr gewogenen Paragrafen verweisen kann. Der Laie verliert beim Studium des ja auch für ihn abgefassten Gesetzes die Orientierung, da er sich nicht vorstellen kann, dass ein deutsches Gesetz mit einer "fraktionierten" Zuweisung von Anordnungen eine derartige Plattitüde fabriziert. Wo die Wirtschaft im Alltag Aufgaben zuweist, werden überlappende Weisungen nicht geduldet. Der Laie wird also irrtümlich erwarten, dass es wohl auch im Gesetz solche Ordnung gibt. Er wird nach den ihm anscheinend unbekannten Geltungsbedingungen fragen, von denen abhängen müsste, welche der beiden Normen jeweils zu beachten ist. Doch niemand kann sie finden. – Auch hier wieder können wir es einen Erfolg der Lobby nennen, dass sie mittelbar die rechtliche Position der Verbraucher schwächt. Und auch hier verharren die Kommentare zum TKG leider in kritiklosem Gesetzesrespekt, als hinge davon die Reputation des Staates ab, und lassen den Rechtssuchenden mit seinem Problem allein.

Die Änderungen in § 45 h TKG kann übrigens der Referentenentwurf zur TKG-Novelle 2012 nur oberflächlich begründen, wenn er auf nichts anderes als auf die Zunahme der Menge an Dienstleistungen hinweist, die über das Mobilfunkkonto inzwischen abgerechnet würden.


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