Gerhard Dahl, Titisee-Neustadt
Telefonkonzerne und ihre Lobby sind Meister
im Ausschlachten der Kosten- und Abofallen
Inhaltsverzeichnis
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Eigentlich sollte ein Betroffener gegen eine grundlos erhobene Forderung gar nicht aktiv vorgehen müssen. Er sollte normalerweise die Sache "an sich herankommen lassen" können. Der Gegner muss darlegen, dass und welche Ansprüche er aus einem Vertrag besitzt (§ 311 BGB) und inwieweit er ihn erfüllt hat. Doch die Abbuchungspraxis von Mobilfunkanbietern, die es zu Zwecken der Abzocke auf den unsichtbaren und prüfarmenZwischen der vom Telefonanbieter per E-Mail gemachten SEPA-Vorabankündigung der bevorstehenden Bankabbuchung und der Abbuchung selbst verbleiben dem Kunden nur wenige Tage, an denen er in der Datenbank des Anbieters seine Online-Rechnung öffnen, die Rechnungsposten prüfen und den Versuch einer Rückfrage beim Anbieter starten kann. Daher meint "prüfarm", dass das Abbuchungsverfahren als solches bei dem ihm eigenen Zeitdruck eine vollständige Prüfung von Rechnungs posten nicht mehr zulässt. Geldeinzug abgesehen haben, führt oft faktisch zu einer Verkehrung der Fronten und bürdet dem Schuldner (Kunden) die Beweislast auf, da er es ist, der eine fehlende vertragliche Vereinbarung geltend macht und daraus seine Rückforderung herleitet.
Welches Arbeitspensum kommt nun auf den Mobilfunkkunden zu, der sich wehrt und einem unnachgiebigen Telefonanbieter zum Rückzahlen Druck machen muss?
Angenommen, da trudelt beim Kunden auf dem Display des Smartphones eine SMS des Mobilfunkanbieters E-Plus ein, wo zu lesen steht:
Der mobile Kunde wird immer abwägen müssen, ob er bereit ist, sich als rechtlicher Laie den neuen Aufgaben so gut es geht zu stellen, oder ob er sich lieber den "Stress" vom Halse hält und die Abbuchung einfach schluckt, was in manchen Fällen durchaus die bessere Reaktion sein kann. Was bleibt z. B. einem Mobilfunkkunden anderes übrig als zu zahlen, wenn er beunruhigend formulierte Mahnschreiben der Gegenseite erhält, die ihm vorhalten, als Nutzer erotischer oder pornografischer Webseiten aktiv gewesen zu sein, wodurch er bei einem öffentlichen Streit riskiert, in einen schlimmen Verdacht zu geraten, obwohl er nie auf einer Erotikwebseite unterwegs war.
Zur Selbsthilfe zu schreiten, um das Kostenrisiko von Anwalt und Gericht zu umgehen, funktioniert nur solange, wie keine rechtlichen Abwägungen bei Bewertungsspielräumen nötig sind, siehe hierzu auch Kapitel 12.2. – Als Betroffene brauchen Sie sich im Übrigen kein schlechtes Gewissen einreden zu lassen, wenn Ihnen die stillen Mehrkosten erst nach Monaten aufgefallen sind. Das Ansinnen, regelmäßig und damit sehr zeitaufwändig die Mobilfunkrechnung oder einen Einzelverbindungsnachweis zu kontrollieren, ist abwegig. Es erwartet zu viel Unterwürfigkeit gegenüber den Tricksereien der Telefonanbieter und wird besser nicht befolgt.
Ich will an dieser Stelle eine Art Handlungsanleitung anfügen, die zeigen soll, was Sie als betroffene Mobilfunkkunden zu Ihrer rechtlichen Gegenwehr unternehmen müssen, um die behaupteten Ansprüche des Telefonanbieters abzuschütteln und eine Rückforderung Ihrer erfolgten Zuvielzahlung aussprechen. Adressat Ihres Widerspruchs ist derjenige, der von Ihrem Bankkonto (unbefugt) abgebucht hat. Das kann nur ein von Ihnen ausgewählter Zahlungsmittler oder Ihr Mobilfunkanbieter gewesen sein, andere Dienstleister oder ein zwischengeschalteter Inkassounternehmer wären dazu nicht imstande.
Es geht darum, den Telefonanbieter, der eine dubiose Forderung eintreiben will, genau an seinen Schwachstellen zu packen. Schreiben Sie eher "wortkarg", aber freundlich. Der Gegner soll spüren, dass Sie sich Ihrer Sache sicher sind. Weiteren eigenen Schriftwechsel und erst recht Telefonkontakt sollten Sie unterlassen, ebenso rechtliche Belehrungen. Auch Drohmaßnahmen bringen nichts; mit einer Klage wegen Schadensersatzes, etwa weil die Sperre Ihres Privatanschlusses unberechtigt war, würden Sie unser Rechtssystem glatt überfordern, da für sie die ganze Anstrengung wirtschaftlich nicht lohnen wird.
Die folgende Anweisung vermittelt auch einen Überblick über das unvermeidliche Arbeitspensum.
Gegen den Telefonanbieter
1 Als erstes müssen Sie bei Ihrem Telefonanbieter der Berechtigung der abgebuchten Entgeltforderung mit knapper und plausibler Begründung widersprechenSchwachstelle des Telefonanbieters: Ihm liegen idR. weder beweistaugliche 'Abrechnungs-Log-Files' des Inhalteanbieters vor noch Beweisdokumente für einen Vertragsabschluss mit Ihnen. Ohne Belege, die vorzulegen wären, haben Behauptungen kaum Gewicht. (z.B. "Auch wenn ich eine Werbung angeklickt haben sollte, habe ich nicht versucht, irgendetwas zu bestellen. Es gibt keinen Vertragsschluss. Gegenteilige Behauptungen werden bestritten."). – Die Angaben der Kunden- und Rechnungsnummer sind wichtig. – Die Winzigkeit des unrechtmäßigen Betrages spielt keine Rolle.
2 Sie müssen die Herausnahme des Rechnungspostens aus der konkreten Monatsrechnung fordern und können dem künftigen Einstellen ähnlicher Rechnungsposten schon heute widersprechenSchwachstellen des Telefonanbieters:
(a) Ihr Widerspruch gegen die Zahlungspflicht blockiert bei ihm die Weitergabe von Schuld-Daten an Auskunfteien (Schufa) - § 31 Abs.2 Nr.4 Buchst.d BDSG-2018 wegen "bestrittener Forderung",
(b) das Einbeziehen eines bestrittenen oder schlüssig begründet beanstandeten Entgelts in die offenen Zahlungsverpflichtungen bei der Mobilfunk-AnschlussSperre mit ihrer 75-Euro-Grenze (§ 45k Abs.2 Satz 2-4 TKG) ist unzulässig,
(c) das ungenehmigte Einschleusen von Entgeltforderungen aus Leistungen Dritter in die Monats-Gebührenrechnung ist nicht zulässig (§ 241 Abs.2 BGB - Interessenschutz).; denn sie haben zu keiner Zeit eine rechtswirksame Zustimmung Ihre Zustimmung kann durch keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen ersetzt werden, siehe Kapitel 1.3 (die letzten
fünf Absätze). – Das Einrichten einer sog. 'Drittanbietersperre' empfiehlt sich aus grundsätzlichen Erwägungen nicht. Wenn einer Zurückhaltung üben muss, so ist es der Telefonanbieter. zur Abbuchung von Nicht-Vermittlungsgebühren gegeben.
3 Sollte der Telefonanbieter in seiner Rechnung behauptet haben, er mache die zugebuchte Entgeltforderung für den Inhalteanbieter, also in dessen Namen und für dessen Rechnung geltend, so nimmt er damit für sich die Stellung als Inkassobetreiber in Anspruch. Erbitten Sie in diesem Fall wegen der nach §§ 12, 13 des neuen Rechtsdienstleistungsgesetzes(RDG) nötigen Registrierung für Inkasso-dienstleistungen den Nachweis der erfolgten Registrierung. Verlangen Sie außerdem unter Hinweis auf § 11a RDG folgende "klar und verständlich" zu machende Angaben, die Ihnen als Privatperson teilweise bereits zu übermitteln waren:
(a) Name/Firma des Inkasso-Auftraggebers (des Dienstleisters),
(b) Forderungsgrund
(c) konkrete Darlegung des Vertragsgegenstands
(d) Datum des Vertragsschlusses
(e) ladungsfähige Anschrift des Auftraggebers
(f) Name, in dessen Person die Forderung entstanden ist
(g) die wesentlichen Umstände des Vertragsschlusses.
Bestehen Sie darauf, dass ein Verweisen an den Inkasso-Auftraggeber solange unbeachtlich ist, wie mangels vollständiger Erfüllung der gesetzlichen Darlegungs- und Informationspflichten für Inkassodienstleister anzunehmen ist, dass die Entgeltforderung in Wirklichkeit dem Telefonanbieter als Käufer gehört. Demnach sind Ihre Einwendungen rechtswirksam vorgebracht, wenn sie nur an den Käufer der Forderung gerichtet sind (§ 404 BGB).
4 Gleichzeitig müssen Sie wegen der erfolgten Abbuchung des Zahlbetrages die Rückforderung geltend machen, also eine Rücküberweisung des Differenzbetrages auf Ihr Bankkonto verlangen und hierfür eine Erledigungsfrist von z. B. 14 oder 21 Tagen setzen.
5 Zugleich müssen Sie dem Telefonanbieter für den Fall der erfolglos verstrichenen Frist in Aussicht stellen, dass Sie die strittige Lastschriftabbuchung bei Ihrer Bank mit dem vollen Betrag widerrufen werden. – Nun beträgt das Zeitfenster für Lastschrift-Widerrufe bei der Bank nach § 675x Abs.4 BGB = 8 Wochen. Sollte diese Frist also schon zu dem Zeitpunkt abgelaufen sein, in dem die von Ihnen gesetzte Erledigungsfrist abgelaufen sein wird, so kündigen Sie dem Anbieter den Widerruf der Abbuchung für eine andere spätere, noch widerrufbare monatliche Belastungsbuchung an, die Sie dann mit dem vollen Betrag widerrufen werden.
6 Ferner teilen Sie zugleich für den Fall einer Kontobelastung wegen vom Telefonanbieter berechneter Rücklastschrift-GebührBeispielsweise kündigt Vodafone in ihrer Mobilfunk-Preisliste "InfoDoku 100" zusätzlich ein "Bearbeitungsentgelt" von (nur) 2,50 € bei Nicht-Teilnahme am Lastschriftverfahren und Bezahlen per Überweisung oder Scheck an. Solches Entgelt hat jedoch nur der Verursacher der Zuvielabbuchung zu tragen. mit, dass Sie sich gegen die Durchsetzung solcher Forderung in der gleichen Weise wehren werden wie gegen die bisherige Einbeziehung der Entgeltforderung in das SEPA-Lastschriftverfahren.Schwachstelle des Telefonanbieters: Für die Lastschriftrückgabe wegen Widerrufs berechnet die ausführende Bank dem Telefon-anbieter keine Gebühr, die Telefonanbieter pflegen es hingegen zu tun, indem sie ein Kunden-Verschulden lediglich unterstellen.
7 Dieses an den Telefonanbieter gerichtete Schreiben versenden Sie per Briefpost, und zwar nicht mit "Einschreiben gegen Rückschein", sondern mit "EinwurfeinschreibenDen Zugang eines "Einwurfeinschreibens" kann der Adressat nicht durch Annahmeverweigerung unterbinden. - Wenn Sie ganz auf Nummer sicher gehen wollen, geben Sie einem Bekannten eine Briefabschrift zum Lesen und Verstehen, lassen ihn den Brief auch kuvertieren, adressieren und übersenden. gegen Rückschein" (0,70 + 2,15 + 2,15 = 5,00 €), um den Nachweis des Zugangs der Sendung nicht dadurch zu gefährden, dass der Empfänger die Annahme verweigert.
Gegen den Inhalteanbieter (den sog. "Drittanbieter")
8 Bei dem fremden Inhalteanbieter oder Inkassobüro nichts unternehmen, solange der Inhalteanbieter Ihnen gar keine eigene Rechnung für die erbrachten Dienste geschrieben hat und mit dieser Unterlassung erkennbar macht, dass der Telefonanbieter eigene Ansprüche aus einer ihm verkauften Entgeltforderung erhebt. – Zu diesem Punkt ist entscheidend Weitere Überlegungen im Anhang 2, ob Sie möglicherweise doch willentlich einen Bestellbutton angeklickt und ggf. in ein Abonnement eingewilligt haben. Nur in diesem Fall müssen Sie oder Ihr Rechtsberater sich auch an den Aboanbieter per Einwurfeinschreiben wenden, gegebenenfalls dessen Forderung bestreiten und hilfsweise den Widerruf des Vertrages (nach §§ 312g, 355 BGB) aussprechen.
Warten
9 Dann warten Sie ab und erhalten oft schon den Streitbetrag ohne Weiteres erstattet; denn so mancher Telefonanbieter wollte eh nur Ihre Abwehrbereitschaft als mobiler Kunde testen. Er zieht oft ein Einlenken vor und macht die Zuvielzahlung rückgängig.
Handeln
10 Falls sich aber nichts tut, schreiten Sie zur Selbsthilfe. Da es keinen Teilwiderruf gibt, rufen Sie nach Ablauf der selbst gesetzten Frist und vor Ablauf der Acht-Wochen-Widerrufsfrist am besten im elektronischen Auszug Ihrer Bank die 'Umsätze' auf, klicken bei der strittigen Belastungsbuchung das dort sichtbare Euro-Symbol an (beim Überfahren mit der Maus lesen Sie "Lastschrift zurückgeben") und bestätigen einen hiermit erteilten Rückgabeauftrag für den vollen Betrag. Gründe sind nicht zu nennen. Alles Weitere geht automatisch.
11 Gleichzeitig überweisen Sie dem Telefonanbieter auf das in seiner Online-Rechnung angegebene Konto den richtig gestellten geminderten Betrag, vorsorglich mindestens ein Sechstel des Gebührendurchschnitts der letzten sechs Monate Durchschnittsregel laut § 45j Absatz 1 TKG
. Endabrechnung erfolgt ggf. später.
12 Nur für den Fall, dass sich nun noch der fremde Inhalteanbieter selber mit einer Entgeltforderung direkt bei Ihnen meldet und das Zustandekommen eines Dienstleistungsvertrags glaubhaft darzulegen sucht: In diesem Fall sollten Sie mit der nötigen Deutlichkeit ggf. bestreiten, (1) dass ein Vertrag zustande kam und bestreiten, (2) dass bestellte Leistungen als solche in Empfang genommen wurden. Sie haben wissentlich nicht auf einen Bestellbutton geklickt. - Auch hier: Schriftlich widersprechen per Einwurfeinschreiben gegen Rückschein, da kein Vertrag geschlossen wurde.
Dem Inhalteanbieter steht es frei, das Gegenteil nachzuweisen. Der Nachweis von Vertragsschluss und in Anspruch genommener Leistung muss aber von Ihnen problemlos nachvollziehbar sein; es gibt keinen Grund, sich auf Kauderwelsch oder Fachchinesisch, das ein Durchschnittskunde nicht verstehen kann, einzulassen. - Kann der Inhalteanbieter Sie nicht von der Richtigkeit der erstellten Rechnungsforderung überzeugen, müssen Sie es darauf ankommen lassen, vom Inhalteanbieter gerichtlich verklagt zu werden. - Jetzt ist es aber meistens der gegnerische Kläger, der vor dem Beweis- und Kostenrisiko zurückschreckt.
13 Kennt der Inhalteanbieter nur Ihre E-Mail-Adresse, ist Vorsicht geboten. Sie sollten keine weiteren Daten (Anschrift, Telefon-Nr.) von sich preisgeben, da die Wissenslücken zeigen, wie flüchtig der angebliche Bestellkontakt war. Erst recht dürfen Sie sich nicht mit irgendwelchen Ihnen angereichten Log-In-Daten einloggen. Bleiben Sie also möglichst passiv und veranlassen Sie nichts Weiteres von sich aus.
Die obigen Aktionen erfordern eher ein emotionsloses, resolutes Vorgehen. Natürlich spekulieren die Telefonanbieter vielfach erfolgreich auf ein apathisches oder ängstliches Reagieren ihrer Kunden.
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©dahl 2017