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Gerhard Dahl, Titisee-Neustadt
      Telefonkonzerne und ihre Lobby sind Meister
      im Ausschlachten der Kosten- und Abofallen  

Inhaltsverzeichnis
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  1. Einleitung
  2. Grundverschiedene Varianten des Vertriebs von Kleinstprogrammen
  3. Kostenfallen gedeihen nur in der Regie und unter den Drohpoten-zialen der Telefonkonzerne
  4. Rechts- und Vertragsverstöße mancher Telefonkonzerne ziehen unser Recht in Mitleidenschafte
  5. Das geschundene und 'zerklüftete' Recht im Mobilfunksektor
  6. Arbeitsspuren und Erfolge der Telefon-Lobby im Mobilfunk­bereich
  7. Das Strafrecht und die Beihilfe zum Betrug
  8. Ein vom Gesetz stark verzerrter Wettbewerb beim Vertrieb der Kleinstprogramme als Nähr- boden für 'Schmuddelecken'
  9. Das Verhindern von Kostenfallen obliegt dem Wettbewerbsrecht
  10. Der Gesetzgeber belässt es bisher beim bloßen Eindämmen der Kosten- und Abofallen
  11. Gesetzesvorschlag, um Anreize
    für ein Tricksen zum Versiegen
    zu bringen
  12. Anhang 1: Wie befreie ich mich aus einer Kostenfalle, wenn ich mir ziemlich sicher bin, willentlich keinen Bestell-Button des Dienst-leisters angeklickt zu haben?
  13. Anhang 2: Die zwei Varianten der Kosten- und Abofallen
  14. Impressum   Datenschutz

6   Das Strafrecht und die Beihilfe zum Betrug


6.1  Verdacht auf versuchten Betrug
6.2  Beihilfe zum Betrug
6.3  Abofallen sind keine bloß "unseriöse" Geschäftspraktik

6.1   Verdacht auf versuchten Betrug

Fallenstellen ist etwas Heimtückisches. Schlägt eine Kosten- oder Abofalle zu, so fällt ein "Abzocker" über sein Opfer her und bereichert sich. Die Höhe der einzelnen monatlichen Abbuchung ist, relativ gesehen, eher minimal und beträgt nach Meinung der Verbraucherzentrale NRW e.V. «3 bis 60 Euro pro Monat», die auf der Mobilfunkrechnung ggf. als Beträge 'anderer Anbieter' berechnet werden. Doch weit schmerzhafter als den sich summierenden Geldschaden empfinden viele Betroffene das demütigende Erlebnis ihrer persönlichen Unterlegenheit, ihrer Wehrlosigkeit gegenüber Konzernen, die ungeniert behaupten, das Recht stünde auf ihrer Seite. Steigt der Geldschaden auf mehrere Hunderte, kann das Zuschlagen der Kostenfalle den Kunden als Bürger aber auch finanziell empfindlich treffen. Da muss es einen aufmerksamen Zeitgenossen wundern, mit welcher Nonchalance sich die Mehrheit der Politiker des Kostenfallenproblems annehmen, als ginge es eben um den materiellen Verlust von ein paar -zig Euro.

Der mögliche anfängliche Eindruck, dass Kostenfallen eigentlich nur eine Art "grippaler Infekt" der Wirtschaft seien, trifft je nach Weltbild des Beurteilers umso weniger zu, als Kostenfallen nicht auf das Konto von "schwarzen Schafen" gehen, mit denen man nun mal leben muss. Die Bürger scheinen dahinterzukommen, dass es "die Politik" ist, die Kostenfallen als Verbraucherplage lieber nicht hart anfassen will, um Kleinunternehmern und Bastlern pfiffiger Kleinstprogramme nicht ihr Tummelfeld für kreative Experimente zu schmälern - sozusagen aus konjunkturwirtschaftlichen Gründen.

Dass nun Strafverfolgungsbehörden den Telefonkonzernen wegen ihres massenhaften Ausschlachtens von Kosten- und Abofallen nicht den Vorwurf des Betrugsversuchs machen, hat gewiss nicht seinen Grund darin, dass die Winzigkeit des einzelnen Bereicherungsbetrags sie von einem Einschreiten abhält. Auch die Verstecktheit der Vorgänge dürfte nicht der Grund sein, mögen Kostenfallen auch typischerweise "dunkle" Machenschaften sein – kein Mobilfunkanbieter ließe sich widerstandslos in die Karten schauen, die Höhe der Erlöse aus der Abzockmasche kann kein Außenstehender veranschlagen.

Der eigentliche Grund dürfte vielmehr darin liegen, dass man isoliert nur den Kleinprogramm-Dienstleistern eine handfeste, vorsätzliche Verbrauchertäuschung vorwerfen kann, während Mobilfunkanbieter bei isolierter Betrachtung ihres Engagements sich auf ein Vertuschen und Einschüchtern beschränken, damit aber dem mobilen Kunden nicht die Möglichkeit nehmen, sich, wenn er es denn will, gegen Eigenmächtigkeiten und Bevormundungen zur Wehr zu setzen. Nur dem Inhalteanbieter kann man ggf. vorwerfen, dass er beim Kunden "einen Irrtum erregt oder unterhält" (§ 263 StrafGB), um sein Vermögen zu bereichern. Dass der Kunde durch Fahrlässigkeit solche Täuschung durch den Inhalteanbieter erleichtert, ändert nichts an der Vorwerfbarkeit der strafbaren Tat.

Für den Vorwurf des Betrugsversuchs genügt es aber nicht, dass der Telefonanbieter die weit verbreitete Unbekümmertheit und Sorglosigkeit der Verbraucher und ihre gewisse Abneigung, rein aus Prinzip um ihr Recht zu kämpfen, zu seinem Vorteil ausnutzt. Alle im Kapitel 1.4 aufgelisteten unternehmerischen Taktiken (1-9) sind dadurch charakterisiert, dass der mobile Kunde nur den Zeitaufwand nicht zu scheuen brauchte, um aktiv gegenzusteuern und die Zügel in die eigene Hand zu nehmen und sich nicht von unredlichen Eigenmächtigkeiten der Telefonkonzerne "überfahren" zu lassen. Wenn er hellwach und rechtsinformiert die Vorgänge verfolgen und rechtlich bekämpfen würde, verlören theoretisch die Kosten- und Abofallen bald ihren Reiz als hochprofitables Geschäftsmodell. – Allerdings wäre dem mobilen Kunden als Einzelnem natürlich solche berufsfremde strapaziöse Selbsthilfe nicht ernsthaft anzuraten.

6.2   Beihilfe zum Betrug

Damit ist nun aber noch nicht beantwortet, wie es um die strafrechtliche Unbedenklichkeit der zwielichtigen Kooperation von Inhalteanbieter und Mobilfunk­anbieter steht, wenn mit ihr unter anderem auch das Ziel verfolgt wird, die vom Dienstleister (Inhalteanbieter) fingierte Entgeltforderung anzukaufen, um sie eigennützig gewinn­maximiert zu verwerten. Wären die vom Telefonanbieter gekauften Entgeltforderungen nicht immaterieller Natur, sondern eigentumsfähige Sachen wie etwa geldwerte Papiere, so läge auf Seiten des Telefonanbieters der Anfangsverdacht auf Hehlerei vor.

Es fehlt aber die Erlangung einer körperlichen Verfügungsgewalt. Daher kommt stattdessen Beihilfe zur Vortat, dem Betrug, in Betracht. Es geht um die Unterstützung der Haupttat des Inhalteanbieters. Der Telefonanbieter hat seinerseits diesem «zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet» (§ 27 Absatz 1 StGB); denn ohne die Aussicht auf eine Mitwirkung des Telefonanbieters hätte der Inhalteanbieter keine Wenn er sich entschließt, dem Kunden als Neuerung auch die Kooperation mit einem Zahlungsmittler (PayPal, Paydirekt u.a.) anzubieten, würde diese Chance voraussichtlich steigen. Chance, eine Entgeltforderung für die vorgeblich bestellte Dienstleistung überhaupt zu verwerten.

Im Kapitel 1.4 habe ich geschildert, wie dicht und stark das Abhängigkeitsgeflecht zwischen Inhalteanbieter und Telefonanbieter als den zwei Kaufvertragsparteien ist. Zwar richtet sich der Wille des Telefonanbieters normalerweise keinesfalls schon auf das Zustandekommen  der Betrugstat, doch erst durch die Mitwirkung des Telefon­anbieters gelingt das gemeinsame Geschäft und kommt die Förderung oder Erleichterung des Geschäfts zustande. Wenn der Telefonanbieter mit dem Inhalteanbieter den Kaufvertrag schließt, so ist von da an das Risiko des Verkäufers, mit dem Erzielen eines Entgelts von vornherein zu scheitern, ausgestanden. Die Haupttat des Inhalteanbieters ist beendet. Andererseits verfügt von da an der Telefonanbieter über die Chance, den Mehrwert zwischen Abfindesumme und Forderungs-Nennwert zu realisieren und sie in eigener Rechnung zu Geld zu machen.

Solange nun der Telefonanbieter vermuten muss, das sich unter den abtretungsweise gekauften Entgeltforderungen nach allgemeiner Erfahrung ein bestimmter Prozentsatz trügerischer Forderungen befindet und solange er dennoch deren Ankauf ungeprüft billigt nach dem Motto: Was geht es mich an, wenn der Kunde selber einen Betrug aufdeckt, den ein Dritter eingefädelt hat - solange mildert das Nichtwissen um die zu identifizierenden trügerischen Forderungen nicht seine Beihilfe zum Betrug (§§ 27, 263 StGB); denn für Beihilfe genügt, dass der Täter den als möglich erkannten Eintritt des Erfolges der Haupttat in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz). Eine Schutzbehauptung, selber nur ungenügendes Wissen von nachgewiesenen Betrugsfällen zu besitzen, kann den Telefonanbieter nicht entlasten. Dem steht das Sich-Wissen-verschaffen-Müssen entgegen.

Da der Mobilfunkanbieter als Gehilfe über die in Kapitel 2.2 und 2.3 ausführlich dargestellten immateriellen Instrumente verfügt und mit ihnen als seinen hervor­ragenden "Tatmitteln" in vielfältiger Weise und daher keineswegs unbedacht, sondern bewusst die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen sucht, dass bei der geförderten Haupttat der Erfolg eintritt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass jedenfalls Vorsatz gegeben ist. Daher wird man also durchaus vom Anfangsverdacht wegen Beihilfe zum Betrug ausgehen müssen.

6.3   Abofallen sind keine bloß "unseriöse" Geschäftspraktik

Mit Blick auf eine dem fremden Inhalteanbieter gelungene Täuschung des mobilen Kunden sind Abofallen sicherlich weit mehr als "eine weit verbreitete unseriöse Das "Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken"
 vom 1.10.2013 nimmt bei Inkassotätigkeiten ins-
 besondere die Kundentäuschungen aufs Korn. Diese
 kann man durchaus als bloß "unseriös" einstufen.
Geschäftspraktik im Internet, bei der Verbraucher unbeabsichtigt ein kostenpflichtiges Abonnement eingehen", wie es Wikipedia - wohl unter dem Eindruck der mittlerweile beinahe allgemein praktizierten Geschäftssitten - noch in 2018 bewertet. Es dürfte keineswegs angebracht sein, praktizierte Kosten- und Abofallen so zu verharmlosen, als handele es sich um Ordnungswidrigkeiten oder fahrlässige Missverständnisse. Einem Verbraucher das "Eingehen" eines Abonnements unterzuschieben, obwohl nur ein arglistiger Inhalteanbieter das Fehlen bereits des Erklärungswillens ignorieren kann, ist von kriminellem Rang. Das Rechtsempfinden der Bürger und Rechtsanwender und ihr Vertrauen in unsere Rechtsordnung und unser Grundgesetz sollte man nicht aufs Spiel setzen.

Im Übrigen ist noch anzumerken: Die den Verbraucher in die Irre führende Behauptung seitens der Telefonanbieter, er könne sich in Widerrufssachen nur direkt mit dem Vorleister auseinandersetzen, mag zunächst erstaunen. Der Beweggrund dafür gewinnt aber an Plausibilität, wenn man beachtet, dass es für den Telefonanbieter wichtig ist, sich aus strafrechtlichen Gründen den Anschein des Unwissenden und Nicht-Eingeweihten zu geben, der trotz des erfolgten Kaufs der Forderung und der erfolgten Übernahme des normalen Delkredere keine Überlegungen zur rechtlichen Fundiertheit der Forderung angestellt haben will. Dabei kann jedoch eine bloße Forderungsabtretung an den Mobilfunkanbieter zum Inkasso nicht vorgelegen haben. In diesem Fall wäre er seit dem 1.11.2014 gesetzlich verpflichtet gewesen, dem Endkunden die ganze Latte an Informationen aufzulisten, wie dies § 11a Abs. 1 des Rechtsdienstleistungs­gesetzes jedem Auftragnehmer in Inkassosachen zur Pflicht macht. Solche Überlassung von Informationen ist aber am Mobilfunkmarkt ganz unbekannt, so dass sich ergibt: Ein Telefonanbieter handelt so gut wie immer in eigener Sache, ist damit in der Gläubigerposition und besitzt sämtliches nötige Wissen.


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