.

Gerhard Dahl, Titisee-Neustadt
      Telefonkonzerne und ihre Lobby sind Meister
      im Ausschlachten der Kosten- und Abofallen  

Inhaltsverzeichnis
Gewünschtes Kapitel bitte hierunter anklicken

  1. Einleitung
  2. Grundverschiedene Varianten des Vertriebs von Kleinstprogrammen
  3. Kostenfallen gedeihen nur in der Regie und unter den Drohpoten-zialen der Telefonkonzerne
  4. Rechts- und Vertragsverstöße mancher Telefonkonzerne ziehen unser Recht in Mitleidenschaft
  5. Das geschundene und 'zerklüftete' Recht im Mobilfunksektor
  6. Arbeitsspuren und Erfolge der Telefon-Lobby im Mobilfunk­bereich
  7. Das Strafrecht und die Beihilfe zum Betrug
  8. Ein vom Gesetz stark verzerrter Wettbewerb beim Vertrieb der Kleinstprogramme als Nähr- boden für 'Schmuddelecken'
  9. Das Verhindern von Kostenfallen obliegt dem Wettbewerbsrecht
  10. Der Gesetzgeber belässt es bisher beim bloßen Eindämmen der Kosten- und Abofallen
  11. Gesetzesvorschlag, um Anreize
    für ein Tricksen zum Versiegen
    zu bringen
  12. Anhang 1: Wie befreie ich mich aus einer Kostenfalle, wenn ich mir ziemlich sicher bin, willentlich keinen Bestell-Button des Dienst-leisters angeklickt zu haben?
  13. Anhang 2: Die zwei Varianten der Kosten- und Abofallen
  14. Impressum   Datenschutz

4   Das geschundene und 'zerklüftete' Recht im
P   Mobilfunksektor


4.1  Die Verletzung des § 241 Abs.2 BGB (vertragsloses neben vertraglichem Handeln)
4.2  Wenn Gesetzesbestimmungen einer unredlichen Vorgehensweise den Weg ebnen
    (§ 45h Abs.1 TKG – geduldete treuwidrige Nebengeschäfte)
4.3  Die Verletzung des § 404 BGB (Unzulässiges Verweisen)
4.4  Die Verletzung des § 305c BGB (ungültige AGB-Klausel) bei Inanspruchnahme
    des Lastschrifteinzugsverfahrens
4.5  Wenn Gesetzessprache den Sinn verschleiert (§ 45d Abs.3 TKG – Sperroption)
4.6  Wenn Gesetzessprache sich in Widersprüche verstrickt
    (§ 45h Abs.1 TKG – Informationspflicht gegenüber dem Rechnungsempfänger)

4.1   Die Verletzung des § 241 Abs.2 BGB (vertragsloses neben
    vertraglichem Handeln)

Mit Blick auf das Entstehen, Verhindern und Vermeiden von Kostenfallen lohnt es sich, noch näher auf einzelne Erscheinungsformen des Umgang der Mobilfunkfirmen mit dem Zivil- und Wettbewerbsrecht einzugehen.

Wie wir in Kapitel 1.3-[3] gesehen haben, behelfen sich Telefonfirmen mit Eigen­inter­pretationen ihrer Gangartregeln bei der Abwicklung der separaten Nebengeschäfte, da auf der Kundenseite vertragliche Zustimmungen zu den übergriffigen Vorgehensweisen ohne Schaden für das Neugeschäft nicht zustande gebracht werden können.

Wenn nun ein Mobilfunkanbieter am freien Markt eine Entgeltforderung ankauft, die den eigenen Kunden betrifft und die er sich vom Drittanbieter, also einem Kleinstprogramm-Anbieter abtreten lässt, kann allein in diesem Vorgang, auch wenn er ohne Absprache mit dem betroffenen Kunden erfolgt, noch kein treuwidriges und interesseschädigendes Verhalten des Anbieters nach § 241 Abs. 2 BGB Absatz 2 lautet: "(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten". gesehen werden. Da die bloße Abtretung den Schuldner nicht schon beschwert, liegt darin keine unzulässige Rechtsausübung. Zwar  verquickt  hier der Anbieter sein reguläres vertragliches Dauerverhältnis zum Kunden aus dem Geschäft der Verbindungs­leistungen mit dem vertragslosen Verwertungsgeschäft seiner lukrativen Sparte "Forderungshandel". Doch mit dem Kauf ist nicht schon darüber entschieden, wie der Anbieter in der (neuen) Rolle eines Forderungshändlers und -verwerters weiter verfahren wird. Die Heimlichkeit des Ankaufs besagt noch nichts zur Frage der Redlichkeit der Forderungsverwertung.

Das Kapitel 1.4 zeigte uns aber, mit wieviel zielstrebiger Raffinesse die Anbieter alle Möglichkeiten zu nutzen suchen, um den Abbuchungsvorgang aus dem Blickfeld des Kunden zu rücken, damit die mit Vorbedacht arrangierte Vermögensverschiebung möglichst unbemerkt zustande kommt und alsbald "gerinnt". Jeder der dort genannten vier anbieterseitigen Schritte zielt im Fall dubioser Herkunft der Forderung darauf, das Vermögen des mobilen Kunden durch Ausnutzen seiner schwächeren Position zu schmälern. Hierbei ist der Vermögensverlust des Kunden automatisch der Vermögenszuwachs des Anbieters. Mit jedem seiner eigennützigen Schritte verstößt der Anbieter gegen seine Rücksichtspflicht aus § 241 Abs. 2 BGB,Auch Loyalität kann rechtlich ggf. geschuldet sein. Und die Erfüllung der nackten leistungs­bezogenen Pflichten kann unzureichend sein, etwa wenn ein im Umfeld der zu erbrin­genden Leistungen sachlich nötiger Schutz unterlassen wird. sobald es an das Verwerten der oft risikobehafteten Forderung geht. Der Kunde muss sich aber darauf verlassen dürfen, dass der Telefonanbieter das Gebührenkonto gegen das missbräuchliche Abbuchen evtl. betrügerischer Forderungen schützt.

Der aus § 241 Abs. 2 BGB herzuleitende Rechtsverstoß ist damit für gewöhnlich bei jedem Abbuchen rechtlich ungeprüfter Posten gegeben. Während Kunde und Telefonanbieter beim Geschäft der zu erbringenden Telefonverbindungsleistungen noch "an einem Strang" ziehen, juristisch gesprochen "kontrahieren", richtet sich das Operieren des Telefonanbieters bei den gekauften Entgelt­forderungen nur auf den Nutzen der eigenen Seite. Hiermit verlässt der Anbieter einseitig die gemeinsame Vertragsbasis und handelt zu Lasten des Kunden­interesses, so dass man sein eigennütziges Vorgehen als "Kontra-agieren" bezeichnen könnte. "Kon-trahieren" Beim Kontrahieren "diszipinieren" die Vertrags-
parteien sozusagen "ihre Willen" und lenken sie
in parallele, also zusammenstimmende Richtungen
und "Kontra-agieren" vertragen sich nicht. Ein Kontra-agieren zieht theoretisch als Pflichtverletzung eine Schadens­ersatz­pflicht des Anbieters nach sich.

Wir beobachten diese Verletzung des Kundeninteresses beim Mobilfunkanbieter ständig. Wenn er es etwa mit Vorbedacht unterlässt, dem Kunden für die gekaufte Entgeltforderung eine separate Rechnung zu schicken, damit solche Rechnung beim Kunden nicht gleichsam auf dem Präsentierteller liegt, und er sie stattdessen stillschweigend unter der Gesamtrechnung versteckt. Denn den wegen Inhaltsirrtum, arglistiger Täuschung oder Betrugs anfechtbaren Entgeltforderungen käme der Kunde sonst umgehend auf die Schliche und erhöhte so die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung des Vorgangs. Hingegen erschwert bereits die Verspätung des auftauchenden Rechnungspostens die Erinnerung des Kunden an die Umstände seiner Bestellung nicht unerheblich und schwächt damit seine Verhandlungsposition, wenn er der Rechnung richtigerweise widersprechen müsste. Welcher Handynutzer macht sich schon sorgfältige Notizen als Erinnerungsstütze bei Kleinbetrags-Bestellungen?

Dem Telefonanbieter ist evident daran gelegen, den Kunden das Prüfen der Forderungen möglichst zu erschweren oder zu verleiden. Wenn es dem Telefonanbieter gelingt, dubiose Einzelforderungen bei Fälligkeit nicht eigens zu avisieren, sondern stillschweigend mit in die Rechnung der nicht-prüfbedürftigen Gebühren einzustellen, steigt schlagartig die Aussicht, den vollen Nennwert realisiert zu bekommen. Und darin liegt der Clou der Verwertung gekaufter anfechtbarer Entgeltforderungen, diesen Wertsprung vorzubereiten und hinzukriegen und dem Kunden das Prüfen und Beanstanden entgleiten zu lassen. Der Inhalteanbieter ist zu solchem etappenweisen trickreichen Forderungseinzug in keinem Falle imstande, da ihm Lizenzvergabe und Abbuchungsermächtigung fehlen. Daher muss er seine Entgeltforderung an den gesetzlich privilegierten "Spezialisten" verkaufen. Und je undurchsichtiger der ganze Entgelteinzug für den Kunden wird, je "stressiger" und mühseliger das Prüfen vom Kunden empfunden wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass er es auf die lange Bank schiebt, verdrängt und schließlich gar vergisst. Rechtlich handelt es sich bei der Belastung auf dem Gebührenkonto des Kunden um eine nicht autorisierte Abbuchung.

Doch wie anstößig auch immer das Vorgehen des Mobilfunk­anbieters erscheinen mag: Die bloß  zivilrechtliche  oder wettbewerbsrechtliche Sanktion mittels Schadens­ersatz­ansprüchen wird keinen Mobilfunkanbieter von seinem Tun abschrecken. Und dieser Umstand dürfte auch erklären, warum die deutsche Rechtsordnung am laufenden Band soviel Arglist, Unredlichkeit und Tricksereien durchgehen lässt.

4.2   Wenn Gesetzesbestimmungen einer unredlichen Vorgehens-
     weise den Weg ebnen (§ 45h Abs.1 TKG   –   geduldete
     treuwidrige Nebengeschäfte)

In diesem Zusammenhang sollten wir uns ansehen, wie das deutsche Telekommu­nikations­gesetz (TKG), das 1996 geschaffen wurde, mit den im vorigen Abschnitt beschriebenen und kritisierten Verhaltensweisen umgeht und auf sie reagiert; denn eines der Anliegen, die im TKG zumindest artikuliert worden sind, ist das Setzen eines Handlungsrahmens im TK-Markt, auch mit dem Ziel eines stabilen funktionierenden vertikalen Der vertikale Wettbewerb am Mobilfunkmarkt ist der Wettbe­werb hinsichtlich Vertragskonditionen zwischen (a) den Anbietern der Kleinstprogramme, also der Dienst­leister, und (b) den Zahlungsmittlern (Inkasso­betreibern) und Telefonanbietern und horizontalen Der horizontale Wettbewerb am Mobilfunkmarkt ist vor allem der Wettbewerb zwischen den Telefonanbietern untereinander und ggf. mit den (Inkasso betreibenden) Zahlungsmittlern um Vertrieb und Forderungseinzug. – Wir brauchen erst im Kapitel 7.2 näher auf Wettbewerbsfragen und Defizite des Wettbewerbs einzugehen. Wettbewerbs. Den § 45 h TKG Wortlaut: "(1) Soweit ein Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekom­munikationsdiensten dem Teilnehmer eine Rechnung stellt, die auch Entgelte für Leistungen Dritter ausweist, muss die Rech­nung des Anbieters in einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form Folgendes enthalten: (...)" wollen wir uns als Erstes daraufhin anschauen, wie er die von ihm konkret benannten Sachverhalte erfasst, um mit ihnen gesetzliche Rechtsfolgen zu verknüpfen.

§ 45h Absatz 1 TKG wie auch sechs weitere Paragrafen des TKG:
  §§  43a Abs.1 Nr.14;
  45d Abs.3 S.1;
  45d Abs.4 S.2;
  45p Abs.1 n.F. S.1;
  45p Abs.2;
  97 Abs.5.
befasst sich mit dem Stellen einer Rechnung des Telefonanbieters wegen einer Forderung, welche dem Leistungsentgelt (meist) eines Dritten, nämlich des Inhalteanbieters entstammt und gegen den eigenen Kunden des Telefonanbieters gerichtet ist, weshalb die Forderung für gewöhnlich mit auf die Monatsrechnung des Telefonanbieters gesetzt wird. Die Entgeltforderung wird idR. zur Alleinverwertung verkauft, könnte theoretisch dem Telefonanbieter aber auch zum Inkasso abgetreten worden sein. In dem praktisch nicht bekannten letzten Fall würde es an einer Beteiligung des Inkassobetreibers an der Höhe des Einziehungserfolges fehlen. Die Inkasso-Provision vergütet nur das herkömmliche Liquidieren, also die wirtschaftliche Umformung einer Forderung gegen einen Verbraucher in eine Forderung gegen eine Bank. Der Telefon­anbieter als Inkassobetreiber würde sich daher nicht sonderlich ins Zeug legen, so dass es auch dem Kunden einerlei sein kann, wer für die Forderung "die Hand aufhält" und ihren Erlös behalten darf.

Im ersten Fall des Erwerbs zur Alleinverwertung allerdings wäre es weltfremd anzunehmen, der Telefonanbieter verfolge mit der Einziehung kein Interesse an der Optimierung seines Einziehungs­ergebnisses. Der Inhalteanbieter hat auf die VerwertungsChance in der Forderung verzichtet, die Chance wird nunmehr eigennützig nur vom Käufer weiterverfolgt, der dabei eine "Wertschöpfung" anstrebt. Je anfechtbarer und unsicherer aber die Forderung ist, desto schärfer kontrastieren die Interessen des Käufers mit denen des Kunden; denn die Vorstellungen vom wirtschaftlichen Wert der Forderung aus Sicht des Gläubigers und vom Wert der Schuld aus Sicht des Schuldners klaffen weit auseinander.

§ 45h Absatz 1 TKG ignoriert beides: (1) die allgemeine Interessenkollision im Fall des vertragslosen, stillschweigenden, vom Kunden (Schuldner) nicht genehmigten Forderungskaufs zur Verwertung der Forderungssubstanz, und (2) die spezielle Interessen­kollision im Fall der Anfechtbarkeit der Forderung wegen trügerischer oder unsicherer Herkunft. Das rechtmäßige Stellen der Forderung durch den Telefonanbieter (und Einstellen in die Monats­gebühren­rechnung) stellt aber einen seltenen Ausnahmetatbestand dar.  Erstens schrecken Mobilfunkkunden, wie wir wissen, vor dem Ansinnen zurück, eine Blankozustimmung zu künftigen Nebengeschäften des Telefonanbieters zu erteilen, da schlechte Erfahrungen ihr Misstrauen nähren. Zweitens sind Telefonanbieter so gut wie immer eigennützige alleinige Inhaber der Verwertungs­Chance der Entgeltforderung und keine Inkassobetreiber. Drittens unterliegen aus Sicht der Kunden alle von ihnen nicht geprüften Forderungen dem Verdacht trügerischer Herkunft, da sie, wie wir wissen, auch vom Telefonanbieter nicht auf rechtsmäßige Entstehung geprüft werden. Daraus folgt, dass im Fall hinzugekaufter separater Entgeltforderungen ein stets nicht zu übersehender Kontrast von Käufer- und Kundeninteressen bestehen muss.

Somit wäre der Gesetzestatbestand des § 45h Absatz 1 erst dann korrekt formuliert, wenn wenigstens das einzufügende Wörtchen "rechtmäßig" in der genannten Bestimmung klarstellte, dass die typische eigenmächtige Vorgehensweise des Telefonanbieters beim Kauf und Auf-die-Rechnung-Setzen der Forderung aus Gründen der Treuwidrigkeit keinesfalls von der Norm gedeckt ist, vielmehr den Sinn des angesprochenen und zu regelnden Tatbestands verfehlt. Die gegenwärtige Gesetzeslage ergibt hingegen, dass das TKG in seinem Gesetzestatbestand die Realität in diesem Punkt verzeichnet, da es idR. gar kein rechtmäßiges Auf-die-Rechnung-Setzen gibt.

Stellt nun der Telefonanbieter eine als trügerisch verdächtigte Forderung in Rechnung – und welche ungeprüfte Entgeltforderung wäre verdachtsfrei? – so macht die angeordnete Rechtsfolge der Übermittlung detaillierter Informationen keinen Sinn. Die Informationsvermittlung täuscht im Gegenteil den Kunden nur darüber, dass es trotz Betrugsverdachts etwas zu informieren gibt, während eigentlich zunächst der Verdacht auszuräumen wäre. Ein am Markt praktiziertes stillschweigendes In-Rechnung-Stellen, das als treuwidrig einzu­stufen ist, darf das TKG daher nicht so regeln, als handele es sich um eine von der Allgemeinheit und vom geltenden Recht akzeptierte Normalität. Das TKG stiftet zur Unredlichkeit an und verzerrt damit den auf Fairnes angelegten Wettbewerb.

– Wir haben es hier also offensichtlich mit einer erheblichen Kollision des TKG mit dem auf Rechtschaffenheit dringenden § 241 Abs. 2 BGB zu tun. Diese Kollision lässt sich keineswegs mit dem Hinweis auf modernes liberal-fortschrittliches Wirtschaftsdenken kleinreden. Das BGB hat zu Recht etwas dagegen, wenn einem in einer Dauerbeziehung stehenden Vertragspartner, hier dem Telefonanbieter, zugestanden wird, die mit Vorteilen verbundene Vertrags­beziehung durch vertragslose eigennützige Neben­geschäfte treuwidrig zu unterlaufen, erst recht, wenn die Verletzung der Partnerinteressen stillschweigend, also hinter dem Rücken des Partners erfolgt und der mobile Kunde auf Schadensersatz aus § 280 Absatz 1 BGB klagen könnte.

Es ist überdies nicht einerlei, ob ein normaler Gläubiger oder ein hoch-privilegierter zu den bestehenden Privilegien siehe insb.
 Kapitel 2.3, 2.3.1, 2.3.2
Gläubiger eine Forderung beim Schuldner einzieht. Solche Sonderstellung setzt aber das TKG voraus, da § 45h TKG nur an die privilegierten Telefonanbieter gerichtet ist. Insofern macht es einen gewaltigen Unterschied, wer den Einzug in die Hand nimmt, solange der Schuldner den Verdacht hat, dass er es mit einem unseriösen oder gar betrügerischen Inhalteanbieter als Initiator des Rechnungsbetrags zu tun hat. Während der Schuldner den arglistigen Inhalteanbieter durch beharrliches Nichtzahlen abschütteln kann, bleibt ihm diese Art von Gegenwehr gegenüber dem Mobilfunkanbieter verschlossen. Der Telefon­anbieter klagt nicht vor Gericht, er dreht bei den Gesprächsvermittlungen einfach den Hahn zu. Er muss nicht in das ganze Mahngeschäft einsteigen, seine "Masche" ist einfach genial.

Am Rande sei zum Thema  «Gesetzesformulierung»  angemerkt: Für jedes Gesetz, das im Bundestag beraten und verabschiedet werden soll, ist in der Geschäftsordnung, die sich der Bundestag gegeben hat, ein VerständlichkeitsCheck  verbindlich  geregelt. Dafür gibt es eigens einen "Redaktionsstab der Gesellschaft für deutsche Sprache beim Deutschen Bundestag". Diese Abteilung soll Texte prüfen. Klappt das auch mit "krummen" Gesetzen? "Manche Gesetze gehen an der Abteilung einfach vorbei", erfährt man von dort.

4.3   Die Verletzung des § 404 BGB (Unzulässiges Verweisen)

Wie schon in Kapitel 3.2 unter Punkt 2 notiert, pflegen Mobilfunkanbieter die gewisse Unart, Kunden beim Vorbringen von Beanstandungen gegen die Entgeltforderung an den fremden Inhalteanbieter zu verweisen, sei es, weil sie damit eine Hinhaltetaktik dem Kunden gegenüber verfolgen, sei es, dass sie dem Verdacht, als gewinnbeteiligte Betrugsgehilfen zu agieren, auszuweichen suchen und öffentlich lieber als bloße Inkasso­dienst­leister dastehen wollen. Es ist aber kaum denkbar, dass ein Telefonanbieter sich überhaupt einmal in die Rolle eines Inkassobetreibers hineinzufinden bereit wäre und damit die erzielten Erfolge der nur ihm möglichen Optimierung der Entgeltforderung dem Inhalteanbieter "verschenkte". Ein Forderungskäufer muss stets selbst die Mängelfreiheit der Forderung vertreten, auch wenn er mit dem Inhalteanbieter intern eine Eventualregelung für den Betrugsfall vereinbart hat.

Am 3.11.2016 konstatierte der 'Verbraucherzentrale Bundesverband' in einer Stellungnahme zum neuen Gesetzentwurf: Die Mobilfunkanbieter "suggerieren (...) ihren Kunden häufig, sie seien für Einwendungen gegen Forderungen von Drittanbietern nicht zuständig (siehe LG PotsdamDas Landgericht Potsdam bezeichnete am 26.11.2015 die Äußerungen des beklagten Mobilfunkanbieters E-plus als "geeignet, den Verbraucher über das Bestehen seiner Rechte (...) zu täuschen." Verbraucher dürfen "Einwendungen gegen die Forderungen von Drittanbietern (...) direkt gegen die Beklagte geltend (...) machen". –> https://openjur.de/u/866169.html - RandNr.30 2 O 340/14) und verweisen für die Durchsetzung etwaiger Rückzahlungsansprüche an den Drittanbieter".

Was einem Kunden widerfahren konnte, wenn ihn etwa die Telekom ( t-mobile ) an den Dienstanbieter verwies, lässt sich im Bericht der Anwaltskanzlei Thomas Rader, Bonn, vom 3. Januar 2014 in aufschlussreicher Weise nachlesen. Der Bericht ist zwar schon älter, deckt aber die typische Differenz zwischen öffentlichkeitswirksamer Ankündigung und in-sich-zusammenfallender wirklicher Ausführung der anfangs zugesagten und vom Anbieter rechtlich geschuldeten Maßnahmen auf.

Die rechtliche Möglichkeit, den reklamierenden Kunden an den Inhalteanbieter zu verweisen, können Telefonanbieter z. B.  (a) aus der gesetzlich vorgezeichneten "Arbeits­teilung" in § 45p Absatz 1 und Absatz 2 TKG als den Spezialnormen herzuleiten suchen. Danach beschränkt sich der Telefonanbieter laut Absatz 1 dieses Paragrafen auf die Information über die Identität des Inhalteanbieters. Dem die Forderung verkaufenden Inhalteanbieter obliegt hingegen laut Absatz 2 die Information des Kunden über den eigentlichen Vertrag und seinen Inhalt (über "Grund und Gegenstand des Entgeltanspruchs").  – Da außerdem  (b) § 97 Abs. 5 TKG beim Telefonanbieter unausge­sprochen eine Inkasso­funktion(!) zu unterstellen scheint, zeichnet auch dieser Paragraf im Fall erhobener Kundeneinwen­dungen dem Teilnehmer den Weg zurück zum Inhalteanbieter vor, wenn dieser Inhalteanbieter sich zur "Durchsetzung der Forderungen" irgendwann selbst um den Geldeinzug bemüht.

Wenn es aber um die Frage des Anwendungsvorrangs der Normen des speziellen TKG vor der grundlegenden Bestimmung des § 404 BGB geht, wird man beachten müssen, dass die Abtretung einer  elektronisch  zustande gebrachten Forderung kaum wesentlich anders verläuft als eine mit  analogen  Mitteln bewirkte Abtretung, so dass sich wohl kein wichtiges Merkmal finden lassen wird, welches einen Anwendungsvorrang der einschlägigen Normen des TKG vor denen des BGB sachlich begründen könnte.

Dieser § 404 BGB hält lediglich eine Selbstverständlichkeit fest: Wenn bei einer Forderung, ohne dass der Schuldner mitwirkt, ihr Gläubiger "ausgewechselt" wird, so kann davon keinesfalls der Forderungsschuldner in der Art oder der Höhe seiner Last berührt werden, beides bleibt unverändert. Folglich tritt bei einer Abtretung mit Bezug auf den Schuldner der neue Gläubiger an die Stelle des alten. Der neue Gläubiger muss nun auch seine passive Zuständigkeit für Kundenbeanstandungen, seine "Passivlegitimation", nicht anders als der bisherige Gläubiger bejahen. – Vielleicht kann künftig eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes vom 27.06.2017 mit ihrem neuen § 45d Absatz 4 TKG (insbesondere dessen Satz 2) versuchen, dem Verweisen von Kunden an den alten Gläubiger den Boden zu entziehen, wenn auch nur über hauseigen erstellte Ausführungsbestimmungen der Bundesnetzagentur (so Satz 3 der Gesetzesergänzung).

4.4   Die Verletzung des § 305c BGB (ungültige AGB-Klausel) bei
     Inanspruchnahme des Lastschrifteinzugsverfahrens

Selbst wenn die Anbieter in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Befugnis aufnehmen, separate Entgeltforderungen ebenfalls dem automatischen Lastschrift­einzug zu unterwerfen, kann solche Klausel rechtlich keine Wirksamkeit erlangen, wie wir es schon in Kap. 1.3-[4] erörtert haben. Auch AGB's dürfen den Kunden nicht mit einer Handhabung einfach "überfahren", wenn eine zugehende Rechnung nach der Natur der Sache erst geprüft werden muss, bevor sie zur Begleichung freigegeben werden kann. Was in den AGB's zur Verfahrensabkürzung für den Entgelteinzug einer offenen Rechnung mit tarifiertenJeder Telefonanbieter staffelt seine Telefongebühren nach einem eigenen, langfristig gültigen Tarif. Damit entfällt für den Kunden der Anlass, die ihm berechneten Gebühren laufend mit Blick auf den Preis je Maßeinheit (insb. die Verbindungsdauer) zu prüfen. Gebühren gilt, kann nicht in gleicher Weise für den Entgelteinzug einer offenen Nichtgebührenrechnung gelten, die erst einer Prüfung bedarf. Der mobile Kunde braucht mit einer AGB-Regelung, die dieser Sachlogik entgegensteht, wegen ihrer Ungewöhnlichkeit nicht zu rechnen. Sie ist daher nach § 305c BGB unbeachtlich und wird nicht Vertragsbestandteil.

Das SEPA-Lastschriftverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kunde darauf verzichtet, vor jeder Zahlungsausführung noch sein O.K. zur Zahlung zu geben. Dem Telefonanbieter wird zugestanden, selbst den Zeitpunkt und die genaue Höhe der Abbuchung zu bestimmen. Wo der mobile Kunde keine Prüfung von Gebühren vorzunehmen braucht, ist dieses Verfahren zweifellos sinnvoll, da es beiden Vertragsseiten, auch dem Kunden, die Mühe der banktechnisch manuellen Überweisung abnimmt. Zudem kann es dem Telefonanbieter das Führen eines umfangreichen Forderungs­kontokorrents samt Kunden-Schriftwechsel ersparen. Für Forderungen aber, die  untarifierte Entgelte  betreffen, ist das Verfahren ungeeignet, mag die Forderungsprüfung auch in den meisten Fällen ergeben, dass die Begleichung der Schuld ihre Richtigkeit hat.

Obwohl nun der Telefonanbieter weiß, dass das auf Dauer angelegte vertragliche SEPA-Lastschriftverfahren typischerweise "prüfarmen" bzw. mechanisch geprüften Vorgängen vorbehalten ist, bezieht er also seine gekauften fremden Entgeltforderungen mit Vorbedacht und ohne Rückfrage beim Kunden in das Einzugsverfahren ein, meist noch bevor der Kunde die ausreichende Prüfung einer entdeckten Einzelrechnung abschließen konnte und sein O.K. hätte geben können. Diese treuwidrige Vorgehensweise kann nicht durch ihre formale Einbeziehung in die AGB legal werden. Sie wird aber vom Telefonanbieter um des Vorteils der "vollendeten Tatsachen" willen energisch vorangetrieben.

Bei vielen Streitfällen des Lebens bedeutet es bekanntlich eine wesentliche Verschlechterung der eigenen Verhandlungsposition, wenn der einstweilen erreichte gegenwärtige Zustand (Status quo) nicht dem eigenen, sondern dem Zielzustand des Gegners entspricht und es nun von eigenen Anstrengungen abhängen wird, ob eine rechtliche Rückwärtskorrektur der entstandenen Vermögenslage noch gelingen wird. Der Vorteil der "vollendeten Tatsachen" ist der Vorteil, weitere Entwicklungen an sich herankommen lassen und aussitzen zu können. Wer schon mal "seine Schäfchen im Trockenen" hat, kann sich sozusagen stressfrei zurücklehnen. Daher ist es nicht belanglos, ob ein Telefonanbieter auch für das Einkassieren von Separatforderungen auf das Bankkonto des Kunden zugreifen darf.

4.5   Wenn Gesetzessprache den Sinn verschleiert (§ 45d
     Abs.3 TKG – Sperroption)

Betrachten wir als Nächstes einmal die vom Gesetzgeber in 2007 in das Telekommunikationsgesetz eingefügte Verbraucheroption zur Einrichtung einer Abbuchungssperre. Es muss dem Leser der unten zitierten neuen Norm (§ 45d Abs. 3 TKG) dessen ziemlich verschwurbelte Redeweise auffallen. Warum macht der Gesetz­geber von einer stark verkürzten und raffiniert unklaren Formulierung des Ausgangs-Sachverhalts Gebrauch? Wer so gewunden spricht, scheint sich in einer erheblichen Verlegenheit zu befinden. Man fragt sich, was hier unter der Decke gehalten werden soll. Ich will einmal den Versuch machen zu zeigen, wie lesbar und verständlich die Bestimmung des § 45d Abs. 3 TKG hätte aussehen können, wenn es für den Gesetzgeber nichts zu verbergen gegeben hätte, weder vor Parlamentariern noch vor der Öffent­lichkeit, und er sich nicht gescheut hätte, den mit seiner neuen Norm entstehenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung sichtbar werden zu lassen. Dann wären in etwa die folgenden drei Sätze zu formulieren gewesen, um genau diejenige Verknüpfung von Gesetzestat­bestand und Rechtsfolge auszudrücken, die heute in Geltung ist und auch tatsächlich so angewendet wird:

"(1) Definition: Unter 'Mobilfunkanbietern' sind Anbieter von öffentlich zugänglichen Mobilfunkdiensten und von Anschlüssen an das öffentliche Mobilfunknetz zu verstehen.

(2) Mobilfunkanbieter dürfen die am Markt gekauften oder zum Inkasso übernommenen Forderungen, die gegen die eigenen Mobilfunkkunden gerichtet sind, ohne deren Zustimmung und ohne voraufgehende Prüfung auf rechtmäßige Herkunft
  (a) zusammen mit den regulären Gebühren für die technische Gesprächs-
    verbindung in einer einheitlichen Rechnung periodisch abrechnen und
  (b) in ein Bankabbuchungsverfahren einbeziehen, selbst wenn der Kunde
    seine Ermächtigung ausschließlich für die Zahlungseinzüge der laufenden
    Gesprächsgebühren erteilt hat.

(3) Erst auf ausdrückliches Verlangen des Kunden muss der Mobilfunkanbieter das Nutzen der gesetzlichen Erlaubnis nach Satz 2 unterlassen und netzseitig unentgeltlich eine Sperre einrichten, die verhindert, dass Dritte die netzspezi­fische Teilnehmer­rufnummer im Telefonnetz abgreifen können, um den Kunden zu Abrechnungszwecken zu identifizieren."

In dieser Weise formuliert müsste sofort ins Auge fallen, dass § 45d Abs. 3 TKG hier zugunsten der Telefonkonzerne und zulasten der Verbraucher etwas legalisieren soll, was unserem Zivilrecht zuwiderläuft, nämlich was zu regeln allein der freien Vereinbarung beider Vertragsparteien obliegt. Der Verdacht bei der Frage nach der Urheberschaft fällt auf die Telefon-Lobby, die es hier geschafft hat, zwei rechtliche Hindernisse stiekum aus dem Weg zu räumen. Betrachten wir jetzt den Gesetzeswortlaut des § 45d Abs.3:

«Der Teilnehmer kann von dem Anbieter öffentlich zugänglicher Mobilfunkdienste und von dem Anbieter des Anschlusses an das öffentliche Mobilfunknetz verlangen, dass die Identifizierung seines Mobilfunkanschlusses zur Inanspruchnahme und Abrechnung einer neben der Verbindung erbrachten Leistung unentgeltlich netzseitig gesperrt wird.»

Als besonders unklar fällt der Begriff "Inanspruchnahme" ins Auge. Wie soll für eine bereits "erbrachte Leistung" nachträglich eine "Inanspruchnahme" stattfinden? Ein Telefontechniker wird diesen Ausdruck vermutlich auf irgendeinen abrufbaren Teledienst beziehen, Juristen und Laien aber werden erst einmal rätseln und sich umhören müssen, was überhaupt gemeint sein kann. Zunächst fällt ihnen wohl beim Ausdruck "Inanspruchnahme" das beim Telefonanbieter geführte Gebührenkonto ein, das offenbar jemand (z. B. der Inhalteanbieter) unter Umgehung des Kunden "anzapft".

Im Geschäftsalltag werden Leistungen durch Kunden jedoch "bestellt", also gebucht und gekauft, aber typischerweise nicht irgendwie "in Anspruch genommen", so als wären sie auf Abruf zur Verfügung gestellte Dienste. Außerdem kann es sich bei Leistungen, die "neben" telefonischen Verbindungsleistungen "erbracht" werden, nicht um (zahlungsseitige) Gegenleistungen, sondern nur um (güterseitige) (Dienst-)Leistungen handeln. Also lässt sich der Widerspruch im Gesetzestatbestand beim besten Willen nicht durch logische Anstrengung auflösen. Und wegen des Transparenzgebots dürfen Fachbegriffe in Gesetzen nicht verwendet werden, solange sie in der Rechtssprache nicht bereits fest umrissen sind.

Wie also sollen (güterseitige) Leistungen vom Gläubiger sowohl erbracht als auch mit dem Ziel einer Abrechnung "in Anspruch genommen" werden können?  Sinn ergäbe sich erst, wenn im Gesetzestat­bestand der  Erbringung von Nebenleistungen gegenübergestellt würde das → inan­spruchnehmende Aufbürden der Gegenleistung, kurz: wenn es die "Inanspruch­nahme" nicht mit einer "Leistung" parallel zu den Verbindungsleistungen zu tun hätte, sondern mit einer beanspruchten "Gegenleistung", also einer Zahlungsabwicklung. Der Gesetzestext hätte also, um seinen begrifflichen Widerspruch zu beseitigen, zumindest statt von "zur Inanspruchnahme und Abrechnung einer ... Leistung" von "zur Abrech­nung und Zahlungsabwicklung einer Bestellung" (oder eines gegenseitigen Vertrages) oder von "zur Durchführung eines Inkassos" sprechen müssen. Warum tat er das nicht?

Die Erklärung findet sich, wenn wir auf die Konsequenzen der Formulierung des Gesetzestatbestands schauen. Und da wir damit in den Bereich des massiven Lobbyings gelangen, werde ich erst im Kapitel 5.7 den Widerspruch auflösen und die zugehörigen Zusammenhänge darstellen.

4.6   Wenn Gesetzessprache sich in Widersprüche verstrickt
     (§ 45h Abs.1 TKG – Informationspflicht gegenüber dem
     Rechnungsempfänger)

Ein anderes Beispiel im Bereich der Telekommunikation für eine entstellte Gesetzesformulierung bietet der § 45h Absatz 1 TKG, wenngleich die Entstellung beim ersten Lesen kaum ins Auge fällt:

«Soweit ein Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommu­nikations­diensten dem Teilnehmer eine Rechnung stellt, die auch Entgelte für Leistungen Dritter ausweist, muss die Rechnung des Anbieters in einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form Folgendes enthalten» (usw.).

Warum sagt das Gesetz nicht, was es wirklich meint? Es meint nicht "Entgelte", sondern Forderungen. Doch es spricht lieber von "Entgelten". Bei Normen, die den Telefonanbieter belasten, wird die Telefonlobby es als Erfolg verbuchen, wenn die Art der Gesetzes­formulierung und insbesondere eine Gesetzes­ungenauigkeit den juristischen Laien verunsichern muss. Auf sprachlicher Genauigkeit zu bestehen, ist daher kein Schelmenmotiv. Und so darf es nicht verwundern, dass die Kommentatoren Dittscheid/Rudloff im großen Beck'schen TKG-Kommentar Beck'scher TKG-Kommentar, Hrsg: Geppert/ Schütz,
 4. Aufl. 2013, Beck Verlag, 2852 S.  –  § 45h Rn 6.
auf schlüssige Weise zu § 45h Absatz 1 TKG vortragen:

«Zum Zeitpunkt der Rechnungstellung haben die rechnungsstellenden Unternehmen (...) die Forderung zumeist bereits im Vorleistungswege gekauft und weisen die Forderung zutreffend als eigene Forderung auf der Rechnung aus. Es handelt sich zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung daher nicht mehr um die Forderung eines Dritten. Der zu erzielende Schutzzweck des § 45 h Abs. 1 wird somit in einer Vielzahl der vorgenannten Fälle verfehlt». – Für die Kommentatoren ist somit überhaupt «fraglich, ob der Wortlaut der Norm den Zielen der Gesetzes­begründung tatsächlich gerecht wird.»

Für die Gesetzesanwendung ist aber weniger entscheidend, ob bei rechtlichen Ungereimt­heiten letztlich die eine oder andere Auslegung irgendwann Recht bekommen wird. Für Lobbyisten zählt, dass der von ihnen in ein Gesetz eingeschleuste Text die protegierte Partei besser stellen kann, indem der Gesetzeswortlaut schillert und einen Auslegungs­spielraum schafft, den Telefonanbieter argumentativ ausnutzen können. Es genügt, dass daraufhin auch Kommentatoren eine Meinung unterstützen, die die Anwendbarkeit einer verpflichtenden Norm aufweicht und in Zweifel zieht. Telefonanbieter werden nicht zögern, die für sie nützliche Auslegung eines Kommentators durchzuziehen.

Der Begriff "Entgelt" bezeichnet im Zivilrecht nicht anders als in der Umgangssprache eine Bewegungsgröße (Änderungsgröße) und keine Bestands­größe wie der Begriff "Forderung". Er gehört also in einen Vorgang der Güterumformung, des Leistungs­austauschs, und steht darin für die mit der zu erbringenden Leistung verknüpfte Gegenleistung. Er besitzt wie die Begriffe "Lohn" und "Vergütung" einen dynamischen Charakter und kann diesen Charakter nicht einfach abstreifen. – Für etwas anderes steht hingegen der Begriff "Forderung", der lediglich zur Kennzeichnung seiner Entstehung auch "Entgelt­forderung", "Lohnforderung" usw. heißen kann und anzeigt, dass sein Gegenstand substanziell verkörpert und damit frei verkehrsfähig ist. Bei ihm handelt es sich um das unumkehrbar zum Wirtschaftsgut geronnene Umformprodukt. "Entgelte" hingegen kann man genau genommen weder kaufen noch auf einen anderen Gläubiger übertragen.  –

Die neue Norm verwendet den Ausdruck "Entgelt" sicherlich mit dem Ziel, möglichst zu verdecken, dass es um Handelsprodukte, nämlich um gekaufte Forderungen geht. Mit "Entgelt" soll der Gesetzesadressat vermutlich eine Nähe des Produkts zur geleisteten Arbeit assoziieren und so vom Gerechtigkeitsmotiv: "Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert" berührt werden. Dem Lohn (Entgelt) eines strebsamen Drittanbieters wird der Jurist die Vergütung nicht so leicht verweigern, eher "winkt" er ihn beim Telefonanbieter durch. –

§ 45h Absatz 1 Satz 1 TKG sollte statt von Entgelten richtigerweise von gekauften Forderungen auf Grund von Leistungen Dritter sprechen. Dasselbe gilt auch für § 45p Absatz 1 Satz 1 TKG, der sich ebenfalls mit Informationspflichten von Unternehmern befasst und ebenfalls zwielichtig einfach von "Entgelten" spricht. ‐ Es ist immer misslich, wenn eine streitende Partei ein vermehrtes Risiko in der Rechtsdurchsetzung einkalkulieren muss, weil Gesetze lädiert sind und die Partei nun ihrem Recht "hinterherlaufen" muss. –


←     voriges Kapitel                                        nächstes Kapitel     →

©dahl 2017